Du bist das Boese
athletische Mann streckte ihm seine frisch manikürte Hand entgegen. Goldene Rolex, brillantenbesetzte Manschettenknöpfe, Designerkrawatte, maßgeschneidertes Hemd mit Initialen, sündhaft teures Schuhwerk.
Ajello wandte sich an Balistreri. »Wenn Sie es nicht eilig haben, würde ich Sie gern auf einen Drink in unseren Clubraum einladen.« Er wollte Pierre loswerden.
Sie liefen durch einen langen Korridor, der zu den Toiletten und zum Notausgang führte, neben dem sich die beiden Clubräume befanden. Sie betraten den kleineren. Ledersessel, Ledersofa, Bar, DVD -Player, Beamer.
»Sehr gemütlich«, bemerkte Balistreri. »Aber für mich bitte nur ein Wasser.«
Ajello wies auf einen Sessel und schenkte ihm ein.
»Dieser Raum ist für Ehrengäste reserviert. Gesichter, die zu bekannt sind, um sich unters gemeine Volk zu mischen, Sie verstehen.«
»Leute vom Film?«, fragte Balistreri.
»Nein, eher Fußballer, TV -Sternchen, der eine oder andere Politiker in privater Begleitung«, erklärte Ajello mit kaum verhohlener Verachtung für diese Menschen, die in seinen Augen so etwas wie ein besserer Pöbel waren. »Leute, die es sich leisten können, mal eben fünftausend Euro für Champagner auszugeben.«
»Und war an dem Abend, als Camarà starb, auch jemand hier?«
»Nein, da war nur der große Raum belegt. Ein Fest für eine Freundin meines Sohns.«
Auf dem Kristalltisch standen ein großer Aschenbecher und eine Holzkiste. Ajello klappte sie auf.
»Kubanische Zigarren. Echte«, sagte er. »Ich bin kein Zigarrenraucher, aber ich habe mir sagen lassen, dass sie hervorragend sind. Bitte bedienen Sie sich.«
Balistreri warf einen Blick auf den Inhalt der Kiste. Sie war in fünf Fächer mit jeweils einer Zigarre unterteilt. An jeder Zigarre hing an einem silbernen Band ein kleines Taschenfeuerzeug mit dem Logo des Bella Blu, einer stilisierten blauen Ballerina. Eine kleine Aufmerksamkeit für die werten Gäste.
»Danke, ich bleibe lieber bei meinen Zigaretten. Sie wollten gerade etwas sagen, Avvocato.«
Wieder dieses gnädige Lächeln.
»Um ehrlich zu sein, fand ich die Neugier Ihres Mitarbeiters etwas unangebracht, Dottor Balistreri. Das war ja fast wie ein Verhör der Finanzpolizei. Tausend Fragen über die ENT , die Gesellschafter, meinen Vorgänger … Nicht weiter schlimm, aber ein bisschen seltsam fand ich das schon. Schließlich hat dieser Mord nicht das Geringste mit …«
»Avvocato Ajello, Sie scheinen gar nicht in Erwägung zu ziehen, dass Camaràs Tod durchaus etwas mit dem Bella Blu zu tun haben könnte, mit den Gesellschaftern, mit Ihrem Vorgänger, mit Ihnen selbst …«
»Wir haben keine Feinde, Dottore, obwohl das Umfeld, in dem wir agieren, durchaus komplex ist. Wir achten sehr darauf, dass alles den Vorschriften entspricht.«
»Trotzdem stieß die Finanzpolizei bei Ihnen auf Spielautomaten, die nicht ans Netz angeschlossen waren.«
Ajello winkte gelangweilt ab, als würde er eine Fliege verscheuchen. »Eine Nachlässigkeit des damaligen Geschäftsführers. Sandro Corona hat geduldet, dass einige Geräte schwarz liefen, wie in den goldenen Zeiten. Ich bitte Sie, Dottor Balistreri, das ist doch eine Lappalie. Gehören Sie etwa zu den Hardlinern, die jeden ins Gefängnis stecken wollen, der seine Steuern nicht bis auf den letzten Euro bezahlt? Corona war ein armer Pechvogel, der den Fiskus um ein paar lächerliche Cent beschummelt hat.«
»Darf ich das so verstehen, dass man den Fiskus heutzutage nur noch um Millionen beschummelt, Avvocato?«
Ajello ließ sich nicht provozieren. Er sah Balistreri an, wie nur ein junger, gebildeter, reicher Anwalt mit besten Verbindungen einen schlecht gekleideten, angegrauten Staatsdiener ansehen kann.
»Corona hat nichts vom Leben verstanden, Dottor Balistreri. Und wenn man etwas vom Leben haben will, dann muss man es verstehen.«
»Vielleicht hat er es ja verstanden, hat sich aber von jemandem in seiner Umgebung zu sehr unter Druck setzen lassen«, wagte Balistreri sich hervor.
Ajello schien mit einem Mal viel aufmerksamer. Er schwieg und sah ihn argwöhnisch an.
»Wie gut kennen Sie Signora Corona, Avvocato?«
Ajello dachte sorgfältig nach. »Ich habe sie näher kennengelernt, als ich die Anteile an der ENT, die sie von ihrem Mann geerbt hatte, übernahm.«
»Sie kannten sie also schon vorher, nur nicht so gut …«, schloss Balistreri.
Ajello war ein leichtes Unbehagen anzumerken. Er versuchte, Zeit zu gewinnen, indem er aufstand und zur Bar
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