Du bist das Boese
ging.
Während er sich einen Whisky einschenkte, wandte er Balistreri den Rücken zu. »Wir haben in demselben Sportstudio trainiert.«
Bravo. Immer schön alle Hintertürchen offenlassen. Wir haben in demselben Sportstudio trainiert und uns nicht mal gegrüßt. Oder: Wir haben in demselben Sportstudio trainiert und auf der Toilette gevögelt?
Sie verabschiedeten sich mit geheuchelter Freundlichkeit. Vor dem Bella Blu rief Balistreri ein Taxi und musterte die graue Limousine, die an der Ecke stand. Die beiden Männer darin zogen in Ruhe an ihren Zigaretten und zeigten keinerlei Interesse an ihm.
Sie wissen, dass ihre bloße Anwesenheit als Botschaft reicht. Schließlich kenne ich die Gepflogenheiten dieses Vereins.
Es war noch nicht Mitternacht, als er bei Piccolo klingelte. Rudi öffnete in einem Jogginganzug, der doppelt so groß war wie er selbst und mit den Initialen G.P. bestickt war.
»Die Dottoressa liegt auf dem Sofa und ruht sich aus, Dottore.« Sein Ton war fürsorglich. Balistreri versuchte, seinen Unmut zu unterdrücken.
Rudi war wie verwandelt. In Piccolos Klamotten sah er zwar lächerlich aus, aber er schien sich wohlzufühlen und keine Angst mehr zu haben. Balistreri gab sich alle Mühe, Gleichgültigkeit zu demonstrieren.
Auch Piccolo machte einen deutlich entspannteren Eindruck. Die Ereignisse der letzten Tage hätten sie eigentlich mitnehmen müssen, doch obwohl sie wegen Nadia traurig war, wirkte sie wie eine Schülerin, die eine gute Note bekommen hatte.
»Rudi hat mich gezwungen, den ganzen Tag auf dem Sofa zu liegen. Das Fieber ist aber weg, also könnte ich auch wieder aufstehen.«
»In Albanien steht man erst nach einem ganzen Tag ohne Fieber wieder auf«, verkündete Rudi wie eine weise alte Tante.
»Ihr seid ja auch Faulpelze, aber in meinem Büro wartet Arbeit auf mich«, insistierte Piccolo.
»Ein bisschen Erholung muss sein«, mischte Balistreri sich ein. »So eine Ruhephase ist auch eine gute Gelegenheit, um mal ein wenig nachzudenken.«
»Rudi, du kennst dich doch hier aus. Holst du dem Dottore etwas zu trinken? Am besten stilles Wasser.«
»Wie geht es dir hier, Rudi?«, fragte Balistreri.
»Sehr gut, Dottore. Aber ich muss auch irgendwann wieder arbeiten, allerdings nicht im Billardcafé.«
»Wegen Marius Hagi?«
»Nein. Hagi hat mich, wie schon gesagt, nie schlecht behandelt. Eher wegen Mircea und Greg …«
»Diese Schweine haben ihn schwer misshandelt«, erklärte Piccolo.
Balistreri warf ihr einen fragenden Blick zu.
»Am Morgen, bevor Ramona abgereist ist. Sie wollten etwas von ihr, doch sie hatte keine Ahnung, was. Um sie zum Reden zu bringen, haben sie sich Rudi vorgeknöpft.«
Rudi reichte ihm ein Glas Wasser und setzte sich neben Piccolo aufs Sofa. Er zog hektisch an seiner Zigarette und war offensichtlich dankbar dafür, dass sie Balistreri keine Einzelheiten verriet und er auch nicht weiter nachfragte.
»Sie haben behauptet, Nadia hätte irgendetwas Wertvolles gestohlen. Und sie waren sich sicher, dass sie es einem von uns gegeben hatte, weil sie es nirgends finden konnten«, erklärte Rudi.
Balistreri nickte. »Hör mal, Rudi. Du hast uns mal gesagt, dass Ramona, im Gegensatz zu Nadia, sehr ordentlich war. Als du aber in der Wohnung aufräumen wolltest, war alles durcheinander.«
»Ja, das waren Mircea und Greg. Sie haben alles durchwühlt.«
»Und sie haben nicht gesagt, wonach sie suchten?«
»Nein, ich glaube, das wussten sie selbst nicht so genau. Aber sie waren sich sicher, dass Nadia etwas Wertvolles gestohlen hatte.«
»In Ordnung. Pass auf, Rudi. Du hast oft Nadias Sachen aufgeräumt, nicht wahr?«
Rudi lächelte traurig. »Ja, die Kleine hinterließ immer ein großes Chaos. Ich habe das dann in Ordnung gebracht. Sie nannte mich Brüderchen.«
»Und ab und zu hat sie dir etwas geschenkt dafür …«
»Nein, Nadia hatte kein Geld für Geschenke. Aber sie hat mich immer sehr gut behandelt, genau wie Ramona.«
»Vielleicht eine Kleinigkeit, die sie mal irgendwo mitgenommen hat …«
Rudi schien sich an etwas zu erinnern. »Aber Mircea suchte etwas Wertvolles …«, murmelte er.
»Vielleicht wertvoll aus Gründen, die nichts mit seinem tatsächlichen Wert zu tun haben, Rudi.«
Rudi wurde bleich und fasste in seine Hosentasche.
Das Feuerzeug wanderte unter Piccolos Augen von Rudi zu Balistreri.
»Ach, du lieber Gott!«, stieß der Chef der Sondereinheit hervor, als ihn vom Feuerzeug die stilisierte Ballerina des Bella Blu
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