Du bist das Boese
schließlich auf Italienisch.
»Nicht ganz, Dottore. Ihre Suche ist kompliziert, und dieses Land ist kompliziert, fast undurchschaubar sogar. Das hat verschiedene Gründe, fast ausschließlich fiskalische, in Einzelfällen auch nicht immer ganz legale, was für die ENT meines Wissens aber nicht zutrifft. Ich würde Ihnen wirklich gern helfen, aber …«
Er war ein netter Kerl, der für seine Strohmanntätigkeit sicher gut bezahlt wurde und von den unsauberen Machenschaften, die sich möglicherweise dahinter verbargen, nichts wusste. Es war jedoch deutlich zu spüren, dass er sich Sorgen machte. Auch er war hier Ausländer, und Ermittlungen in einem Mordfall waren keine Lappalie. Italien hatte eine Botschaft in Dubai. Schon eine höfliche Beschwerde wegen unzureichender Mitarbeit würde ihm Probleme bereiten. Die Scheichs wollten in einem zivilisierten und sauberen Land leben, und als junger libanesischer Anwalt wurde man unter Umständen sogar dann schon ausgewiesen, wenn man sich gar nichts hatte zuschulden kommen lassen.
»Es gibt keine Nachtflüge nach Italien, daher vermute ich, dass Sie erst morgen früh wieder abreisen. In welchem Hotel sind Sie abgestiegen?«, fragte Belhrouz.
»Im Hilton Jumeirah.«
»Sehr gut. Sie haben einen ganzen Tag zu Ihrer Verfügung. Genießen Sie die Sonne. Ich werde Sie um sieben Uhr abholen und zum Abendessen ausführen. Dann können wir in einer etwas ungezwungeneren Umgebung plaudern.«
Offensichtlich wollte er nicht an diesem Ort mit ihnen reden, und es blieb ihnen nichts übrig, als anzunehmen. Bevor sie sich verabschiedeten, sagte Balistreri: »Vielen Dank übrigens auch für den Fahrer, den Sie uns zum Flughafen geschickt haben.«
Belhrouz sah sie verwundert an. »Ich habe niemanden geschickt, Sie hatten ja nicht darum gebeten.«
Ein unangenehmer Gedanke kam Balistreri in den Sinn. »Dann waren das wohl unsere eigenen Leute. Bis heute Abend also.«
Nachmittag
Sie hatten sich am Vortag verabredet, nachdem Linda vor Marius-Travel ein paar kurze Erklärungen abgegeben hatte.
»Ich hätte mich mit meinem guten alten Pfefferspray schon irgendwie gewehrt«, hatte sie gesagt. »Aber trotzdem danke für die Hilfe. Ich fürchte, Sie müssen das an Dottor Balistreri weiterleiten.«
Piccolo hatte gelächelt. »Als ich von Ihrem Besuch im Restaurant erfuhr, bin ich Ihnen gefolgt. Aber das war meine Idee, Balistreri hätte das gar nicht zugelassen. Wir behalten es also besser für uns.«
Dann hatten sie sich auf ein Treffen in der Bar verständigt, in der sie nun wie zwei alte Damen Tee tranken.
»Giulia, ich möchte dir einen Vorschlag machen.«
Piccolo sah sie an. Linda Nardi war schön, sensibel, intelligent. Aber es war offensichtlich, dass sie nicht das geringste erotische Interesse an ihr hatte.
Sie hörte sich den Vorschlag schweigend an, aber ihr Blut geriet in Wallung, und die Erregung jagte ihr Schauer über den Rücken.
Eine große Schwester. Besonnener als ich, aber wie ich zu allem bereit.
»Hast du keine Angst?«, fragte Piccolo, nur um zu hören, was sie hören wollte.
Und Linda sagte es, mit ihrem heiteren Blick. »Das Einzige, was mir Angst macht, ist die Vorstellung, dass diese Geschichte einfach so weitergeht.«
Der vorausschauende Corvu hatte zwei Badehosen eingepackt, eine für sich und eine für Balistreri. Sie verbrachten den Tag am hoteleigenen Strand. Hin und wieder telefonierte Corvu mit Natalya und erzählte ihr, was er gerade sah, oder er machte mit seinem Handy Fotos und sandte sie ihr. Dann ließ er sich am Fallschirm von einem Motorboot übers Wasser ziehen. Dann wanderte er zur Skipiste. Dann schwamm er eine gute Stunde. Balistreri weigerte sich, an irgendeiner dieser Aktivitäten teilzunehmen, und schlief am Strand ein.
In dem wirren Traum, in den er versank, redete Linda Nardi in einer unverständlichen Sprache mit ihm.
Abend
Als Belhrouz sie mit seinem Audi A8 abholte, war es schon dunkel, aber es herrschte eine leichte Brise, und die Temperatur war angenehm mild.
Das Restaurant befand sich auf einer runden Terrasse über dem Meer. Sie setzten sich nach draußen ans Wasser, in dem sich die Lichter der Wolkenkratzer spiegelten. Das Durchschnittsalter der Gäste lag um die dreißig, und die Mädchen waren unbeschreiblich. Genau wie die Preise auf der Speisekarte und die Krebse, die Balistreri bestellte.
Beim Essen erzählte Belhrouz von seiner aus Palästina stammenden Familie. Seine Großeltern waren von den Israelis vertrieben
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