Du bist das Boese
dunkelblauem Anzug, sprach sie unentwegt mit »Sir« an. Er führte sie an unzähligen Luxuskarosserien und SUVs vorbei zu einer Limousine mit Klimaanlage, Bar und Fernseher.
Als Corvu dem Fahrer die Adresse reichen wollte, kam der ihm zuvor. »Media City, yes?«
Balistreri bat sogleich, die Klimaanlage, die das Wageninnere auf Kühlschranktemperaturen herabkühlte, etwas höher zu stellen. Es herrschte schon dichter Verkehr. Dubai sei demografisch und städtebaulich so explodiert, erklärte der Fahrer, dass sie bis in die Innenstadt einige Zeit brauchen würden. Langsam glitt die Limousine zwischen Porsches, Ferraris und Lamborghinis dahin, stets auf vollkommen neuen Straßen. Die Anhäufung von Baukränen und halb fertigen Wolkenkratzern war beeindruckend. Sie überquerten den Dubai Creek, einen Wasserarm, der die Stadt in zwei Hälften teilt, und näherten sich dem moderneren Teil der Metropole.
Glitzernde Wolkenkratzer in den kühnsten Formen, Glasfassaden, Marmor. Corvu war enthusiastisch und ging ganz in seiner Rolle als Fremdenführer auf.
»Abu Dhabi, das Nachbaremirat, hat das Öl, aber Dubai ist viel cooler. Allein schon die Architektur. 7-Sterne-Hotels wie das Burj Al Arab, das aussieht wie ein gigantisches Segel, dann die hypermodernen Shoppingmalls, eine Skipiste mit perfektem Schnee direkt am Strand. Alkohol, Gastronomie, Mädchen …«
Sie nahmen die breite Sheikh Zayed Road, die zu den neuen Siedlungen und Hotels am Jumeirah Beach führte. Als sie um zehn Uhr die Media City erreichten, war es schon richtig heiß. Balistreri hatte es sich in den Kopf gesetzt, Jackett und Krawatte anzubehalten, und sehnte sich nach dem Regen und der Kälte in Rom.
Der Fahrer setzte sie gegenüber vom Eingang des Gebäudes ab, in dem die ENT Middle Eastresidierte. Das Büro lag im dritten Stock und bestand aus nichts als zwei eleganten Räumen und einem Konferenzsaal. Eine philippinische Sekretärin empfing sie und ließ sie im Konferenzsaal Platz nehmen. Durch die Glasfront schaute man auf das grüne, mit Motorbooten und Katamaranen gesprenkelte Meer hinaus.
Der Rechtsanwalt Nabil Belhrouz war ein attraktiver junger Mann mit glänzendem schwarzem Haar und sonnengebräunter Haut. Er war höchstens Mitte dreißig.
»Wir können uns in Ihrer Sprache unterhalten, wenn Sie möchten. Ich spreche ein wenig Italienisch.«
Balistreri war froh, nicht den Dolmetscher für Corvu spielen zu müssen, und nahm das Angebot dankbar an.
»Vielleicht wundern Sie sich über mein Alter«, sagte Belhrouz, nachdem er ihnen eine Tasse amerikanischen Kaffee angeboten hatte. »Hier in Dubai ist das allerdings normal. Die Stadt bietet jungen Leute alles, was sie brauchen, um sich selbst zu verwirklichen.«
Balistreri fand ihn sympathisch, ein engagierter junger Kerl, der in einer komplizierten Welt etwas auf die Beine stellen wollte. Corvu sah in seinem ehrgeizigen Altersgenossen eher den Konkurrenten und war reservierter.
»Avvocato Belhrouz, wie Sie ja bereits wissen, sind wir hier, weil eins der Lokale der ENT , das Bella Blu in Rom , kurz vor Weihnachten Schauplatz eines Verbrechens wurde«, begann Corvu.
»Ja, ich habe Ihre E-Mail gelesen. Ich gebe Ihnen gern alle verfügbaren Informationen, obwohl ich den Zusammenhang nicht ganz sehen kann.«
Corvu beschloss, die indirekte Frage zu ignorieren. »Wir wissen, dass neunzig Prozent der Anteile an der ENT von einem italienischen Treuhänder verwaltet werden, der von der ENT Middle Easteingesetzt wurde. Wir müssen die Aktionäre ENT Middle East ausfindig machen.«
»Natürlich«, stimmte Belhrouz zu. »Aber als Italiener haben Sie bestimmt Verständnis für gewisse Dinge. Anonymität wird hier ganz groß geschrieben.«
Balistreri und Corvu wechselten einen besorgten Blick.
Belhrouz fuhr fort. »Falls Sie also gehofft hatten, Namen und Vornamen von in Europa ansässigen lebenden Personen zu erfahren, werden Sie hier in Dubai kein Glück haben. Und das gilt auch für die ENT Middle East.«
Er reichte jedem von ihnen ein Blatt Papier, eine Art vereinfachtes Aktienregister, eingetragen in der Handelskammer von Dubai über die Free Zone Media City. Ein einziger Aktionär der ENT Middle East war darin vermerkt: die ENT Seychellen, mit Sitz auf den Seychellen.
Corvu sah Balistreri konsterniert an. »Ich hätte es wissen müssen«, brummte er.
»Dann war unsere Reise ja wohl völlig überflüssig«, bemerkte Balistreri auf Arabisch. Belhrouz war erstaunt, zögerte kurz und antwortete
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