Du bist das Boese
Waffenstillstand also.
»Eine Sache noch«, sagte er, bevor Balistreri ging. »Linda Nardi.«
Schon als kleiner Junge hatte Balistreri gelernt, Gefahren zu wittern, und sagte nichts.
Pasquali sah ihn nicht einmal an, sondern starrte auf den Bildschirm seines PC s. »Eine sehr intelligente Frau. Und sehr gefährlich für uns. Für dich. Sei vorsichtig, Balistreri. Halte dich möglichst von ihr fern.«
Angelo bot Balistreri an, ihn mit dem Auto zum Flughafen zu begleiten, wo er den Nachtflug nach Dubai nehmen würde. Er war beschwingt und nachdenklich zugleich.
»Michele, macht dir das mit Margherita und mir wirklich nichts aus?«
»Kein Problem, Angelo. Ich hatte sie doch längst in allen Positionen.«
Er sah, wie sein Freund erbleichte und sich ans Lenkrad krallte. Dann brachen sie beide in Gelächter aus.
»Arschloch. Du bist ein Blödmann, Michele. Margherita würde dich nie ranlassen.«
»Wenn ich es drauf angelegt hätte, wäre ich schon zum Zug gekommen. Aber so unerfahrene Mädels interessieren mich nicht.«
»Linda Nardi dagegen …«
Balistreri sah ihn überrascht und ein bisschen sauer an. »Woher zum Teufel …«
»Graziano hat es mir verraten, reg dich nicht auf.«
»Den schick ich zurück zu seinen Ziegen in die Berge. Die Hormone rauben ihm wohl den Verstand. Soll ja vorkommen.«
»Er mag dich. Du bist wie ein Vater für ihn. Er möchte dich glücklich sehen, wie wir alle. Und er sagt, Linda Nardi sei genau der richtige Typ Frau, um …«
Balistreri unterbrach ihn mit einer drohenden Geste. »Hör wenigstens du mit diesem Blödsinn auf. Die Nardi ist eine anmaßende, eingebildete Kuh, außerdem ist sie lesbisch oder frigide oder keine Ahnung, ist mir auch egal. Die würde ich nicht mal mit …«
Aus unerfindlichen Gründen begann Dioguardi zu lachen.
»Was ist denn daran so witzig? Du bist ein Idiot, Angelo.«
»Nichts. Aber seit ich dich kenne, habe ich dich noch nie in dieser Weise über eine hübsche Frau herziehen hören.«
Dienstag, 3. Januar 2006
Vormittag
Während des Nachtflugs tat Balistreri kein Auge zu. Die Sitze waren unbequem und eng. Businessclass wurde nur Politikern und Geschäftsleuten erstattet, nicht jemandem, der auf Verbrecherjagd durch die Gegend düste. Corvu, der neben ihm saß, spielte endlose Pokerrunden auf dem kleinen Bildschirm an der Rückenlehne seines Vordermanns.
Erst in der letzten Stunde, als sie sich schon über der Arabischen Halbinsel befanden, schlief Balistreri zur Musik, die ihm über Kopfhörer in die Ohren drang, völlig erschöpft ein.
Das Gesicht der Haremsfrau war zur Hälfte bedeckt, doch ihren Körper umwallten nur hauchdünne Schleier. Als sein Blick zu ihrem Busen wanderte, grub sich eine vertikale Falte in ihre Stirn. Er murmelte eine Entschuldigung, doch es gelang ihm nicht, seinen Blick abzuwenden. Mit Schrecken stellte er fest, dass seine Hände, völlig unbeeindruckt von den Anweisungen seines Gehirns, die Knoten lösten und das Mädchen nach und nach entblößten. Sie ließ ihn gewähren, reglos und stumm. Ihre Augen musterten ihn durch den Schlitz in ihrem Schleier. Die Entscheidung liegt ganz bei dir, sagten sie.
Als das Fahrgestell auf der Landebahn aufsetzte, wachte er schweißgebadet auf. Corvu hatte schon alles griffbereit, den Stadtplan von Dubai, die Adresse der Media City, die Telefonnummer des Anwalts Nabil Belhrouz, Reisepass, Boarding-Card, Sonnenbrille, Baseballcap, Lacoste-Hemd und leichte Leinenhose.
Balistreri starrte ihn verblüfft an. »Dir fehlt nur noch das Schmetterlingsnetz, Corvu.«
»Dottore, das warme Jackett sollten Sie jetzt wirklich einpacken. Draußen herrschen fünfundzwanzig Grad, und das schon um acht Uhr morgens.«
Der Flughafen war ein hypermodernes Gebäude mit unzähligen Luxusboutiquen. Freundliche Beamte in langen weißen Tuniken halfen ihnen, rasch die Zollformalitäten zu erledigen. Überall priesen große Werbeflächen neue Wohnquartiere auf einer künstlichen Insel im Meer an, deren Umrisse einer Palme nachempfunden waren.
Außerhalb des Terminals erwartete Balistreri und Corvu ein klarer Himmel mit frühsommerlichen Temperaturen und das Höllenspektakel der mit Schildern bewaffneten Fahrer, die irgendwelche Geschäftsleute abholten. Eines der Schilder trug die Aufschrift »Mr Balistreri – Mr Corvu«. Sie sahen sich überrascht an.
»Anscheinend gehört das zum Reisepaket, obwohl man uns in Rom nichts davon gesagt hat«, meinte Corvu.
Der Fahrer, ein junger Pakistani in
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