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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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hätten irgendein beliebiges Paar sein können, nur ohne Sex. Um Mitternacht trennten sie sich, und jeder ging zum Schlafen in sein Zimmer.
    Bin ich in sie verliebt? Warum empfinde ich dann diese unpassierbare Grenze?
    Tag um Tag verging so. Als sie eines Abends Ende Mai nach Hause kamen, rückten sie sich auf der Terrasse zwei Stühle in Richtung Petersplatz zurecht.
    In diesen zehn Wochen war vieles klarer geworden. Stille und Linda waren nun das Einzige, wonach er sich sehnte. Wie sechsunddreißig Jahre zuvor, an diesem Strand, auf der anderen Seite des Mittelmeers.
    Er sah, wie sich sein Arm um Lindas Schultern legte. Sie wandte sich ihm langsam zu, das Gesicht wenige Zentimeter von seinem entfernt. Da war nicht die kleinste Falte auf ihrer Stirn, und ihre Augen schienen ganz ruhig.
    Die Entscheidung liegt ganz bei dir, Michele.
    Er erinnerte sich an den stillschweigenden Pakt, den er in jener fernen Nacht mit dem Unsichtbaren geschlossen hatte.
    Ich suche dich nicht länger. Aber du musst aufhören.
    Plötzlich fühlte er sich nur noch wie ein alter Polizist, der etwas unschätzbar Kostbares hütete, etwas, dem nicht das Geringste zustoßen durfte und das er vor allen in Schutz nehmen musste, angefangen bei Michele Balistreri mit seinen Sünden und Gewissensbissen.
    Denn einer guten Fee darf man nichts tun …
    Der Moment verstrich mit diesem Gedanken. Linda legte ihren Kopf an seine Schulter und schlief ein.
    Am nächsten Abend saßen sie wieder dort, schweigend, und genossen die laue Dämmerung, ein erster Vorbote des langen römischen Sommers. Balistreri hatte zugesagt, am nächsten Tag seinen Dienst wieder anzutreten.
    »Ich muss dich etwas sehr Persönliches fragen, Michele.« Linda klang merkwürdig. Direkte Fragen gehörten nicht zu ihrem gewohnten Umgang.
    »Du machst mir ja Angst, Linda«, scherzte Balistreri.
    Sie war ernst. Es war ihr sichtlich unangenehm, ihre Frage zu stellen. »Ich würde gern wissen, ob du früher, als du dich noch mit Politik beschäftigt hast, den Tod eines Menschen verursacht hast.«
    Balistreri war beeindruckt von ihren Umschreibungen.
    Als du dich noch mit Politik beschäftigt hast … den Tod eines Menschen verursacht …
    Dabei wusste sie doch bestimmt, dass Michele Balistreri ein faschistischer Schläger gewesen war und zur Führung des Ordine nuovo gehört hatte, bis der im November 1973 als vermeintliche Wiedergeburt der Faschistischen Partei per Gesetzesdekret aufgelöst worden war. Und als gewissenhafte Journalistin hatte sie sich sicher auch die Frage gestellt, warum er nicht gemeinsam mit den anderen Köpfen der Bewegung verhaftet und vor Gericht gestellt worden war.
    »Würde das etwas zwischen uns ändern, Linda?«
    Sie dachte einen Moment nach. »Ich muss wissen, wer du heute bist, Michele. Und dafür muss ich etwas über früher erfahren.«
    Balistreri fragte nicht, warum. Er vertraute ihr, und er vertraute darauf, dass sie gute Gründe für ihre Frage hatte.
    »Ich habe nie Unschuldige getötet oder angeordnet, sie zu töten. Aber einige in der Gruppe, zu der ich gehörte, waren der Ansicht, Pistolenkugeln und Bomben seien die einzige Art zu kämpfen.«
    »Und du?«
    »Nach der Auflösung des Ordine nuovo habe ich versucht, einige meiner Mitstreiter, die in den bewaffneten Kampf abgerutscht waren, für den politischen Weg zurückzugewinnen. Aber ich habe verloren.«
    »Wo warst du zwischen 1974 und 1978?«
    Sie sprach in einem herzlichen Ton, aber diese Frage riss einen unüberwindlichen Graben zwischen ihnen auf.
    Da gehörte ich immer noch zu den Anführern dieser Gruppe. Allerdings hatte ich mich da schon verpflichtet, sie zu bespitzeln.
    »Das kann ich dir nicht sagen, Linda. Auch zu deinem Besten nicht.«
    Sie nahm seine Hand. »Ich weiß, dass du keine Unschuldigen umgebracht hast. Aber wenn jemand in deiner Nähe Unschuldige töten wollte? Hast du ihn dann machen lassen? Oder hast du es verhindert?«
    Meine einstigen Freunde, die jungen Leute, mit denen ich irgendwann begonnen habe. Die ich verraten habe, weil sie sich selbst verraten haben und es für den richtigen Weg hielten, auf einem belebten Platz eine Bombe in einem Abfalleimer zu deponieren.
    »Ich habe getan, was ich konnte, Linda. Ich hab alles mir Mögliche getan, um gegen das vorzugehen, was in meinen Augen unrecht und unehrenhaft war.«
    »Und würdest du das heute wieder tun?«
    Es war nicht das erste Mal, dass Linda ihn mit einer Frage sprachlos machte.
    »Heute würde ich nur noch töten,

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