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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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Als Junge in Afrika hatte er beim Zielwerfen immer gewonnen, weil er mit der Linken geworfen hatte. Mit der Rechten war es sinnlos und machte auch keinen Spaß.
    Das Spiel, das Mama dir geschenkt hat, als du sieben warst. Der Kopf des Bären taucht nur ganz kurz im Fensterchen auf. Und in dem Moment machst du peng! Du kannst nur schießen und schlagen, Michelino. Wie Papa schon sagte.
    Der Schmerz wurde stärker, die Blutung ließ nicht nach, und als ihm schwindlig wurde, wusste er, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Die Beretta mit der Linken umklammernd, nahm er Schwung und warf, so wie er es als Junge getan hatte, wenn er die Raben aus den Eukalyptusbäumen holen wollte. Der Stein beschrieb einen perfekten Bogen und traf die Außenwand der Hütte genau auf der Höhe von Mirceas Kopf, der vor Schreck einen Satz nach vorn machte. Das Projektil trat in sein Auge ein. Balistreri sah Mirceas Schatten taumeln und zu Boden gehen.
    Colajacono konnte ihn nicht mehr halten. Balistreri sank zu Boden, und im letzten Augenblick, bevor er in Ohnmacht fiel, war ihm, als sähe er einen Schatten aus dem Wald heraustreten und langsam näherkommen. Er konnte seine Augenlider nicht öffnen. Durch den schmalen Spalt sah er nichts als Colajaconos schwere Stiefel im nassen Schlamm. Er war sich nicht sicher, ob es Wirklichkeit war oder ein Traum. Die Stimme des Vicecommissario erreichte ihn aus tausend Kilometern Entfernung.
    »Herr im Himmel, jetzt nimm mir endlich die Scheißhandschellen ab.«
    Die andere Stimme war kaum mehr als ein Wispern. »Ganz ruhig, Polizist. Gleich kommt er.«
    »Wer kommt, verdammt?«, zischte Colajacono wütend.
    Das Wispern verlor sich, als Balistreri die Sinne schwanden. »Der Tod.«
    Balistreri fiel in Ohnmacht. Den Schuss hörte er nicht mehr.

INTERMEZZO

Donnerstag, 5. Januar 2006
    In der Zeitung konnte man am nächsten Morgen noch nichts über das Blutbad lesen. Beherrschendes Thema war der Beschluss, das Casilino 900 vorerst nicht umzusiedeln. Außerdem gab es noch einen kurzen Artikel von Linda Nardi mit der Überschrift: »Und wenn es mal einen Polizisten erwischt?« Ein komischer Zufall, aber im allgemeinen Chaos verlangte niemand Rechenschaft über diese Zeilen.
    Das unglückliche Zusammentreffen der Entscheidung zu den Roma-Lagern und dem Blutbad, in dem die drei tüchtigen Polizeibeamten Colajacono, Tatò und Coppola zu Tode kamen und Michele Balistreri, der Chef der Sondereinheit, schwer verletzt wurde, stellte den Bürgermeister und seine Mehrheit weiter ins Abseits und beschädigte auch die Kirche. Die hatte sich bis zuletzt für die Einwanderer und ihre Rechte stark gemacht, wohingegen jetzt bis in die Abgeordnetenkammer und den Senat hinein völlig neue und ungewöhnlich scharfe Kritik an der Einmischung des Vatikan laut wurde. Während aber die Kirche aus Überzeugung und nicht aus Eigeninteresse für Toleranz warb, nutzten einige Parteien die Vorkommnisse schamlos dazu aus, auf Stimmenfang zu gehen. Nicht einmal vor der offenen Forderung, das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem italienischen Staat müsse neu überdacht werden, schreckte man zurück.
    Der Papst zeigte sich an seinem Fenster über dem Petersplatz, um den Angelus zu beten. Er verurteilte die Gewalt und warb für gegenseitiges Verständnis. Als er betonte, er bete für alle Getöteten, und Intoleranz habe schon in der Vergangenheit zu schweren Grausamkeiten geführt, erhob sich ein Pfeifkonzert aus einem Teil der Menge, die größtenteils aus italienischen Staatsbürgern bestand. Die Nachrichtensender des Landes schnitten diese Bilder raus, aber CNN und das Internet sandten sie in die ganze Welt.
    Auch Linda Nardi sah sämtliche Bilder, selbst die vom italienischen Fernsehen zensierten. Nachdem sie erfahren hatte, dass Balistreri nach einer Operation an Milz und Schienbein außer Lebensgefahr war, deckte sie sich im Supermarkt mit Vorräten ein und zog sich in ihre Wohnung zurück. Dem Chefredakteur teilte sie telefonisch mit, dass sie zu Hause arbeiten würde.
    Im Morgengrauen des nächsten Tages besorgte sie sich am Kiosk einen Stapel Zeitungen und breitete sie im Wohnzimmer vor sich aus. Sie las, wählte aus, legte beiseite, unterstrich, sortierte. Dann schrieb sie eine lückenlose Zusammenfassung und speicherte die Datei in einem bereits vorhandenen Ordner namens »Michele Balistreri « .
    Die Datei nannte sie »Wenn du wieder gesund bist«.

Dienstag, 10. Januar 2006
    Im Krankenbett hatte Balistreri die

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