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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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Moped, mit leichtsinniger Geschwindigkeit. Dabei war Alina Hagi ein vernünftiges Mädchen, wohlerzogen und religiös.
    Im Laufe des Tages versuchte er mehrfach, Angelo zu erreichen, doch sein Handy war nicht eingeschaltet.
    Als er Corvu damit beauftragte, Monsignor Lato ausfindig zu machen, erzählte ihm sein Mitarbeiter, dass er alle Ermittlungen eingeleitet habe und Piccolo schon Feuer und Flamme sei, weil die Jagd endlich wieder aufgenommen wurde. Dieser Enthusiasmus bereitete Balistreri allerdings eher Sorgen. Das Letzte, was er brauchen konnte, war ein weiblicher Muskelberg, der zu allem bereit war, um die an Frauen begangenen Gräueltaten zu rächen.
    Immer wieder überkam ihn der Wunsch, Linda anzurufen, doch er widerstand. Nicht aus Stolz, denn es gab keinen Machtkampf zwischen ihnen. Aber er hatte nun einen klaren Grund dafür, warum er eine gewisse Schwelle nicht überschritten hatte. Wo Geheimnisse sind, kann kein Vertrauen entstehen.
    Stunden um Stunden verbrachte er an seinem Schreibtisch. Er las alle Protokolle im Computer nach. Dann die Liste von Fragen an der Tafel. Er wusste, dass die Lösung sich irgendwo in der Antwort auf diese Fragen versteckte. Er begann mit der ersten.
    Was bedeutet das R? Was bedeutet das E? Und was kommt als Nächstes?
    Wann starb Alina?
    Lindas Frage schwirrte ihm im Kopf umher.
    Wann? Warum »wann« und nicht »wie«?
    Als gegen neun Corvu anrief, hatte er sich gerade auf den Heimweg machen wollen. Allein. Zum ersten Mal seit vielen Monaten ohne Linda.
    »Monsignor Lato ist vor zehn Jahren nach Polen zurückgekehrt, aber er erfreut sich bester Gesundheit. Ich habe Ihnen seine Telefonnummer besorgt.«
    »Sehr gut. Du bist immer noch sehr effizient.« Corvu entging, dass das ein Witz sein sollte.
    »Außerdem habe ich mir erlaubt, einen meiner Freunde im Vatikan zu bemühen. Auf diesem Weg konnte ich herausfinden, wo Alina Hagi gearbeitet hat. Ich habe Ihnen eine E-Mail geschickt.«
    »Gut gemacht, wie ich sehe, bist du in Höchstform. Ich schau es mir gleich an.«
    »Noch eine letzte Sache, Dottore. Natalya und ich gehen Pizza essen. Wenn Sie und Linda sich anschließen möchten …«
    »Nein danke. Heute Abend nicht.«
    Er beendete das Gespräch mit Corvu und konnte plötzlich der Versuchung, mit Linda zu sprechen, nicht mehr widerstehen.
    Ich lese nur noch die E-Mail, dann rufe ich sie an.
    Corvus Nachricht war kurz. Sie begann mit der Telefonnummer von Monsignor Lato in Polen. Dann: »Alina Hagi hat 1982 in der Pfarrei von San Valente gearbeitet, an der Aurelia antica . «
    »Das habe ich getan«, sagt mein Gedächtnis. »Das kann ich nicht getan haben« – sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich – gibt das Gedächtnis nach.
    Linda Nardi blickte über den Petersdom hinweg zum Fluss, der sie nun voneinander trennte.
    Sie hatte mit aller Kraft versucht, sich einzureden, dass er es verstehen oder wenigstens akzeptieren könne. Doch dem war nicht so, das war ihr jetzt klar. Seit jenem Abend auf der Terrasse. Sie sprach mit ihrer Mutter. Sie führte das Telefonat, das sie führen musste.

Donnerstag, 13. Juli 2006
    Vormittag
    Jahrelang hatte er diesen Abschnitt der Aurelia antica, der sich an eleganten, von grünen Bäumen umgebenen Villen vorbeischlängelte, gemieden. Er hatte ihn unbewusst gemieden, als hätte die Immunabwehr seines Gedächtnisses dafür gesorgt, dass er diesem Ort nicht zu nahe kam.
    Gewissensbisse haben ein Gesicht, einen Namen und eine Adresse.
    Er hatte erfahren, dass der mit den ehrenamtlichen Tätigkeiten der Pfarrei von San Valente Beauftragte ein alter Bekannter war, Padre Paul.
    Als er sein Auto parkte, sah er hinter dem Gitter der Sonnenstrahlen, die durch die Baumkronen sickerten, wie viel sich hier verändert hatte. Die kleine Kirche war frisch gestrichen, das Grün ringsum dichter und gepflegter und das Gebäude hinter der Wiese mindestens doppelt so groß. Er ging über den Rasenteppich und dachte, dass hier etwas gewachsen war, als wäre der Ort von der Kindheit ins Erwachsenenalter übergetreten.
    Padre Paul war von seinem Kommen unterrichtet worden und kam ihm schon entgegen. Sein rotes Haar war inzwischen grau meliert, und die blauen Augen wirkten vorsichtiger, nicht mehr so offenherzig. Sein Händedruck hingegen war fester, als Balistreri es in Erinnerung hatte, und es war nicht zu übersehen, dass der Mann, der nun vor ihm stand, deutlich mehr Selbstbewusstsein besaß als der unsichere junge Kerl von damals. Zum ersten Mal

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