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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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geschummelt hatte.
    »Ich war bei Anna Rossi, der Freundin von Alina Hagi.«
    Paul nickte. »Ich habe von dem Unglück gelesen, das ihrer Tochter vor einem Jahr passiert ist. Cardinale Alessandrini hat sie angerufen, um sie zu trösten.«
    »Erinnern Sie sich noch an den Verlobten von Anna Rossi?«
    Ein kleiner, kaum merklicher Schatten huschte über Padre Pauls Gesicht. »Francesco Ajello. Er hat zusammen mit Valerio für den Conte gearbeitet. Sein Arbeitsplatz war aber nicht hier, sondern im Büro. Er studierte Jura und half uns, die Kinder aus ihren Heimatländern rauszuholen.«
    »Wurde der Kontakt zu Ihrer Gruppe über den Conte hergestellt?«
    »Ich glaube, ja. Valerio kannte ihn schon und hatte ihn bereits Cardinale Alessandrini vorgestellt. Genauso, wie er es mit Elisa Sordi getan hatte.«
    »War er Ihnen sympathisch?«
    Padre Paul zündete sich noch eine Zigarette an, und Balistreri nahm die siebte, ohne auch nur darüber nachzudenken.
    »Ich bin und bleibe Priester, Dottor Balistreri. Sie neigen dazu, das zu vergessen.«
    »Aber damals waren Sie ein junger Mann mit Sympathien und Antipathien, wie alle jungen Leute. Sie erinnern sich doch an ihn, oder?«
    Paul schüttelte den Kopf.
    »Was ich Ihnen damals über Manfredi sagte, hatte mir mein abgrundtiefer Zorn diktiert. Später habe ich meine Worte sehr bereut.«
    »Und zu Francesco Ajello möchten Sie gar nichts sagen?«
    »Es wäre ohnehin nur die persönliche Meinung des verwirrten jungen Mannes, der ich einmal war.«
    Balistreri wollte nicht weiter darauf bestehen. Die Nacht und das Wochenende versprachen heiß zu werden. Kein Windhauch rührte sich im dunklen Garten von San Valente. Die Kinder waren schlafen gegangen, Lichter und Stimmen erloschen. Träge kreiste ein Nachtfalter um die kleine Lampe.
    Als er sich von Padre Paul und diesem unerträglichen Frieden verabschiedete, hatte er das Gefühl, in ein undurchdringliches Labyrinth hineingeraten zu sein.

Samstag, 15. Juli 2006
    Vormittag
    Valerio Bona hatte das Meer von Ostia immer geliebt. In seiner Kindheit waren seine Eltern jeden Sommer mit ihm hergekommen, und 1981 hatte er hier Elisa Sordi kennengelernt. Sie war damals siebzehn, und er, ein Jahr älter, hatte kurz zuvor die Schule beendet und sich für Informatik eingeschrieben. In jenem langen Sommer, in dem er die Haare schulterlang trug, gingen sie oft an der Küste spazieren. Dann kam der Herbst. Elisa stand das letzte Jahr ihrer kaufmännischen Ausbildung bevor und ihm das erste auf der Universität. Und alles änderte sich. Für ihn war aus Freundschaft Liebe geworden, für sie nicht.
    Balistreri rief ihn am Samstag um acht Uhr morgens an. Valerio rüstete gerade sein Segelboot für einen einsamen Törn. Er und das Meer. Ein Moment des Friedens. Wenn die Erinnerung sich im Klatschen der Bugwellen und im Pfeifen des Windes verlor. Aber Balistreri bestand darauf, ihn sofort zu sehen, und Valerio musste wohl oder übel auf ihn warten.
    Am Wochenende herrschte dichter Verkehr, daher nahm Balistreri lieber den Bummelzug. An der Strandpromenade stieg er aus, umringt von Badegästen auf dem Weg zum Meer. Valerio holte ihn mit dem Motorrad ab. »Ich habe noch einen zweiten Helm. Wir fahren zum Hafen, dann können wir uns auf dem Boot unterhalten.«
    Seit jenem Sommer 1970 vermied Balistreri Schiffstouren wenn irgend möglich. Ihm war allerdings klar, dass es keinen besseren Ort gab, um mit Valerio Bona zu reden. Valerio hisste Besan und Klüver und beschloss, hart am Wind zu segeln, damit sie es im Schatten der Segel angenehm kühl haben würden. Nach zehn Minuten waren sie auf dem offenen Meer, und der Trubel auf dem überfüllten Strand war nur noch ein fernes Raunen.
    Die Plicht war tapeziert mit Fotos von Valerio Bona am Ruder verschiedener Boote, in jedem Alter. Die beiden einzigen anderen Fotos waren eins von Johannes Paul II. und eins vom italienischen Fußball- WM -Sieger von 2006.
    Valerio saß entspannt am Ruder. Das goldene Kreuz an seinem Hals glänzte auf seiner sonnengebräunten Haut. Auf dem Boot war er völlig in seinem Element, wie in einem Panzer, in dem er die Situation unter Kontrolle hatte. Den schüchternen, unsicheren Jungen hatte er am Kai zurückgelassen.
    Balistreri versuchte, sich zu entspannen, doch der Frieden wurde von einer seiner schlimmsten Erinnerungen durchkreuzt. »Da wären wir also«, sagte er nur und zündete sich alle fünf Minuten eine Zigarette an. Die eisernen Regeln, die er sich auferlegt hatte, lösten

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