Du bist das Boese
fliegst heute Abend. Und Piccolo hat Natalya benachrichtigt, sie erwartet dich. Mein Bruder holt dich in zwei Stunden bei dir zu Hause ab und bringt dich zum Flughafen.«
Jetzt musst du nur noch gut auf dich aufpassen, Graziano, denn es ist noch nicht vorbei. Im Gegenteil, es hat gerade erst begonnen.
Corvu schaute auf. Sein sonst so ernster und ruhiger Blick war bestürzt. »Danke, Dottore«, murmelte er und stand auf. Dann fügte er in einer letzten Anwandlung von Pflichtbewusstsein hinzu: »Ich habe Mastroianni die Liste mit den zu überprüfenden Alibis gegeben, um die Sie mich gebeten hatten. Vielleicht brauchen wir die jetzt nicht mehr …«
Piccolo und Mastroianni umarmten ihn. Dann legte ihm Balistreri einen Arm um die Schultern und begleitete ihn hinaus. Er spürte, dass er am ganzen Leib zitterte.
Als sie draußen auf dem Bürgersteig standen, fragte Balistreri: »Wie viel Zeit hatte Pasquali zwischen dem Moment, als er Hagi gesehen hat, und seinem Versuch zu schießen?«
»Keine Sekunde.«
Keine Sekunde. Er hatte die Pistole schon gezogen.
Mitten am heißen Nachmittag begab sich Balistreri zum zweiten Mal an diesem Tag ins Regina Coeli. In weiser Voraussicht dessen, was ihn dort erwartete, nahm er Piccolo diesmal nicht mit.
Avvocato Morandi wartete vor dem Vernehmungsraum auf ihn. Er sah zu Boden. »Tut mir leid wegen Pasquali.«
Balistreri blickte ihn an.
Dir tut es nur um deine Reputation leid, du dreckiger Hurensohn.
»Was geschehen ist, war völlig unvorhersehbar«, fuhr Morandi fort. »Es bestätigt allerdings, was ich Ihnen beim letzten Mal sagte.«
»Ich wäre besser in Dubai geblieben.«
»Nun haben Sie den Täter. Mein Mandant wird ein umfassendes Geständnis ablegen, ohne etwas zu verschweigen.«
»Tatsächlich? Dann wird er mir also auch erklären, warum er den Streit mit Camarà inszeniert und den armen Kerl aufgeschlitzt hat?«
Balistreri sah, wie er unter seiner künstlichen Bräune erblasste.
»Sie werden wohl mit eindeutigen Fakten vorliebnehmen müssen«, sagte Morandi eiskalt.
Balistreri konnte sich nur mit Mühe zurückhalten, ihm nicht an die Gurgel zu gehen. Andernfalls hätte man ihm den Fall entzogen, und diesmal wollte er bis zum Ende dranbleiben. Er beglückwünschte sich zu seiner Selbstbeherrschung, kehrte Morandi den Rücken und ging hinein. Morandi folgte ihm.
Der Staatsanwalt war bereits da. Er tuschelte mit dem Anwalt, dann wandte er sich an Balistreri.
»Wie ich soeben von Avvocato Morandi erfahre, erklärt sein Mandant sich aller Morde für schuldig, auch für den an Camarà. Er wird ein umfassendes und detailliertes Geständnis ablegen.«
Hagi wurde in Handschellen hereingeführt. Ungerührt suchten seine schwarzen Augen Balistreris Blick. Er hatte abgenommen, seit er ihn vor sieben Monaten das letzte Mal gesehen hatte, und er hustete sehr viel häufiger. Sein Blick jedoch funkelte mehr denn je über den großen, tiefdunklen Augenringen. Die Ähnlichkeit mit dem Leibhaftigen war nun vollkommen.
Nach den üblichen Präliminarien ließ der Staatsanwalt Balistreri das Verhör einleiten.
»Fangen wir ganz vorne an, Signor Hagi.«
»Mit Samantha Rossi also.«
Balistreri schüttelte den Kopf. Es war Zeit, eindeutig Position zu beziehen.
»Nein, Signor Hagi. Angefangen hat es 1982.«
Hagi nickte lächelnd. »Elisa Sordi?« Als wäre es die natürlichste Sache der Welt.
Alle schreckten auf: der Staatsanwalt, Morandi, die Wachen. Nur Balistreri verzog keine Miene.
Du sollst deine Show bekommen. Ein Schritt in Richtung Wahrheit.
»Schon damals haben Sie sich ja so bemüht, Dottor Balistreri.« Sein Hohn war nicht zu überhören.
»Ich möchte Sie bitten, auf Kommentare zu verzichten und ausschließlich die Fragen zu beantworten, Signor Hagi«, sagte der Staatsanwalt, fahl im Gesicht.
»Einen Augenblick«, intervenierte Morandi leicht verwirrt. »Ich muss mich erst mit meinem Mandanten besprechen. Was Elisa Sordi hier zu suchen hat, ist mir nicht bekannt.«
»Das ist auch nicht nötig«, beruhigte ihn Hagi. »Sie müssen nur darauf achten, dass die Herren meine Worte nicht verdrehen. Mir ist an absoluter Klarheit gelegen, und unter den Anwesenden befinden sich bekanntlich ausgewiesene Pfuscher. Schon 1982 war das so.«
»Wann haben Sie Elisa Sordi kennengelernt?« Balistreri ignorierte die verächtliche Bemerkung einfach.
»Das weiß ich nicht mehr genau, kurz vor dem Sommer 1982. Ich traf in der Via della Camilluccia einen der jungen Männer, die
Weitere Kostenlose Bücher