Du bist das Boese
seiner Kollegen, Conte Tommasos und einiger Honoratioren der Stadt eröffnet worden war. Corvu hatte auch recherchiert, dass der einzige Direktflug, der Manfredi frühmorgens aus Europa nach Nairobi gebracht haben könnte, um Mitternacht ab Zürich gegangen war und dass der letzte Flug von Rom nach Zürich am Nachmittag des 24. Dezember um achtzehn Uhr gestartet war, vor Nadias Entführung also. Weder in Rom noch in den Passagierlisten oder der Passabteilung deutete irgendetwas darauf hin, dass Manfredi sich in der Stadt befunden haben könnte. Als Nadia umgebracht wurde, hielt Manfredi sich folglich in Nairobi auf. Was die Verbrechen an Samantha, Selina und Ornella anging, hatten jedoch weder er noch der Conte ein wasserdichtes Alibi.
Auch die Anwesenheit des Kardinals bei offiziellen Anlässen im Vatikan war für den gesamten Nachmittag und Abend des 24. Dezember dokumentiert, wobei man nicht ausschließen konnte, dass er sich vorübergehend absentiert hatte. Am Tag von Samantha Rossis Tod war er in Madrid gewesen, doch der Zeitpunkt seiner Rückkehr war unklar. Und den Abend, an dem Ornella Corona starb, hatte er allein zu Hause verbracht.
Ajello, Paul und Valerio waren selbst befragt worden. Sie hatten sich darüber eher besorgt und überrascht denn verärgert gezeigt. Paul und Valerio waren am Abend des 24. Dezember zusammen in der Pfarrei gewesen, um mit den Kindern Heiligabend zu feiern. Zumindest für die Zeit nach zwanzig Uhr waren ihre Bewegungen nachvollziehbar. Ajello war an dem Abend, an dem Samantha getötet wurde, bei der Eröffnung eines Nachtclubs der ENT in Mailand gewesen. Dafür gab es zahlreiche Zeugen. Ein absurder Zufall wollte es, dass alle drei sich aus unterschiedlichen Gründen am Abend von Ornella Coronas Ermordung in Ostia aufgehalten hatten. Ajello hatte mit Ornella geschlafen, Paul hatte die Waisenkinder ans Meer begleitet und dort mit ihnen übernachtet, und Valerio war allein mit dem Boot rausgefahren, und niemand wusste, wann er zurückgekehrt war. Was den Fall Elisa Sordi anging, fand sich nach so vielen Jahren niemand, der Ajellos Alibi bestätigen konnte.
Eine Sache war klar: Hagi war der Einzige, der nie ein Alibi hatte. Zudem räumte er ja ohnehin ein, alle Taten begangen zu haben.
Balistreri fühlte sich ausgelaugt. Seine Kollegen betrachteten ihn mit einer Mischung aus Mitleid, Empörung und Spott, das war deutlich zu spüren.
Bevor es Abend wurde, erreichte ihn ein Anruf des Polizeipräsidenten.
»Balistreri, das ist eine einzige Katastrophe, angefangen von den Opfern und ihren Angehörigen bis hin zu diesem Hype in den Medien und den politischen Auswirkungen.«
»Signor Questore, wir haben es mit einem sehr komplexen und sorgfältig geplanten Tathintergrund zu tun.«
»Sie glauben also nicht, dass Marius Hagi die ganze Sache allein auf die Beine gestellt hat?«
»Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Möglicherweise befinden wir uns noch ganz am Anfang.«
»Am Anfang?«, platzte es verzweifelt aus Floris heraus. »Fünf junge Frauen wurden auf bestialische Weise ermordet, die Erste vor vierundzwanzig Jahren. Dann Camarà, Colajacono, Tatò, Coppola, Pasquali. Sie selbst hätte es auch fast erwischt, und jetzt noch Fiorella Romani! Was soll das heißen, wir befinden uns noch ganz am Anfang? Muss erst der dritte Weltkrieg ausbrechen, oder was?«
Balistreri hatte nichts, was ihn hätte beruhigen können. Die Tatsache, dass Pasquali die Pistole bereits in der Hand hielt, als der Polizist an die Wohnwagentür klopfte, bohrte sich wie ein Stachel in sein Gehirn.
Er war viel zu umsichtig, um persönlich ins Casilino 900 zu rennen und den Fall mit der Pistole in der Hand zu beenden. Es sei denn, er war in Panik.
»Ich muss noch mal mit Hagi sprechen«, sagte Balistreri.
»Und was erhoffen Sie sich von diesem Monster?«
»Er hat einen Plan. Wenn wir Fiorella Romani retten wollen, müssen wir mit ihm zusammenarbeiten.«
»Zusammenarbeiten? Was soll jetzt das wieder?«, fragte Floris verwirrt.
»Fiorella Romani ist entweder schon tot, oder sie wird bald sterben. Wenn Hagi sie irgendwo versteckt hat und wir sie nicht finden, wird sie jämmerlich krepieren. Wenn er aber …«
»Wenn er was?«
»Wenn er will, dass wir sie finden, wird Hagi mit uns spielen.«
»Wovon reden Sie überhaupt?«, der Polizeipräsident klang verzweifelt.
»Die Angelegenheit ist zu kompliziert«, schloss Balistreri.
Floris seufzte, er konnte nicht mehr. Er war ein ausgeglichener,
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