Du bist das Boese
und seinen Männern von hinten näherte. Dann hörte er ihn husten.
Er stieß einen sardischen Fluch aus und fuhr so hastig herum, dass er die Alte mitsamt ihrem Baby umstieß. Er brauchte ein paar Sekunden, um sich zu entschuldigen und den beiden wieder aufzuhelfen. Dann rannte er mit erhobener Beretta nach draußen und schrie, bereit zu schießen.
Pasquali drehte sich um, doch obwohl er die Pistole schon gezogen hatte, konnte er nicht mehr rechtzeitig schießen. Er sah nur noch das Grinsen unter den dunklen Brillengläsern, als Marius Hagi abdrückte. Pasquali hatte keine Gelegenheit mehr, Gott für seine Sünden um Vergebung zu bitten, bevor das Projektil ihm den Kopf durchbohrte. Hagi warf die Pistole weit weg und nahm die Arme hoch. Die Polizisten hielten ihn mit ihren Waffen in Schach, zitternd vor Schreck und vor Wut.
»Halt, keine Bewegung!«, rief Corvu und rannte, mit der Beretta auf Hagi zielend, zu ihnen hinüber. Hagi sah ihn nur spöttisch an.
»Ruft einen Rettungswagen und blockiert alle Ausgänge«, schrie Corvu verzweifelt.
»Ich habe keine Komplizen. Mit Leuten wie euch werde ich allein fertig«, sagte Hagi seelenruhig.
Corvu wagte es nicht, den am Boden liegenden Pasquali anzusehen. Er befahl einem der Beamten, Hagi Handschellen anzulegen. Der leistete keinerlei Widerstand. Eine Menschenmenge hatte sich versammelt. Bewaffnete Polizisten strömten herbei.
Hagi beobachtete das Geschehen und lächelte Corvu an. »Wo ist denn Ihr Chef, der große Straßenfeger?«
Nachmittag
Balistreri weigerte sich, an der Pressekonferenz am frühen Nachmittag teilzunehmen. Er sah sie sich gemeinsam mit Corvu, Piccolo und Mastroianni im Fernsehen an. Der Innenminister sprach als Erster. Mit knappen Worten lobte er die Polizei und Dottor Antonio Pasquali, der sich heroisch aufgeopfert hatte, um die Italiener vom Keim des Bösen zu befreien. Er versprach, dass die Regierung innerhalb der nächsten Tage drastische Restriktionen gegenüber Einwanderern aus Nicht-EU-Ländern ergreifen werde. Per Gesetzesdekret, um den langatmigen parlamentarischen Weg durch die Instanzen zu vermeiden.
Auf die Frage einer französischen Journalistin, ob seitens der Vereinten Nationen, des Vatikan und zahlreicher Menschenrechtsorganisationen nicht mit Protest zu rechnen sei, antwortete er wenig diplomatisch: »Ein solcher Protest ist weder zu erwarten noch wünschenswert.«
Dann erteilte er dem Polizeipräsidenten das Wort, der den Verlauf der Ereignisse schilderte. Floris war gefasst, aber sichtlich bewegt. Er gab einen groben Überblick über die Verbrechen an den vier jungen Frauen, deren Leichen allesamt mit ähnlichen Einritzungen versehen worden seien. Auch den Unsichtbaren erwähnte er und die erdrückende Indizienlage gegen Marius Hagi, bei dem man im Übrigen auch das Mobiltelefon von Selina Belhrouz gefunden habe. Er erinnerte daran, dass vier Rumänen, die Kontakt zu Hagi hatten, bei einer Schießerei getötet wurden, derselben Schießerei, bei der auch drei heldenhafte Polizisten zu Tode kamen und Michele Balistreri, der Chef der Sondereinheit Ausländer, schwer verletzt wurde.
Am Ende verlieh er seiner Überzeugung Ausdruck, dass Marius Hagis Verhaftung die Stadt aus einem Albtraum erlöse. Und fügte hinzu, dass der Innenminister und er den Bürgermeister von Rom zu einer dringlichen Konsultation einbestellt hätten. Er sagte tatsächlich »einbestellt«, als ginge es um irgendeine niedrige Charge.
Ein Heidenlärm brach aus, als die Journalisten ihre Fragen in den Saal brüllten, doch es gab keine weiteren Erklärungen.
Corvu war am Ende. Die erbarmungslosen Fernsehaufnahmen hatten auch sein fahles Gesicht gezeigt, als Pasqualis Leiche aus dem Casilino 900 abtransportiert und Hagi in den Mannschaftswagen Richtung Gefängnis verfrachtet wurde. Balistreri hatte sich nach Kräften bemüht, Corvu nach Hause zu schicken, aber vergeblich. Er hatte ihm auf jede erdenkliche Weise erklärt, dass ihn keine Schuld treffe und dass allein Pasqualis Leichtsinn und Geltungsdrang zu diesem Resultat geführt hätten.
»Hör zu, Corvu. Es kommt nicht infrage, dass du an Hagis Vernehmung teilnimmst. Du stehst unter Schock. Deine Aussage hast du bereits gemacht, also nimmst du dir jetzt drei Tage frei und begleitest Natalya in die Ukraine.«
Corvu schüttelte den Kopf. »Nein danke, Dottore«, sagte er in seinem trotzigsten Ton.
Doch Balistreri hatte seine Entscheidung längst getroffen. »Ich habe dir schon ein Ticket gebucht, du
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