Du bist das Boese
Sonnenbrille mit Metallgestell. Wo waren sie, als sie seinen Whisky tranken? Vielleicht in der Kneipe, vielleicht auch draußen. War er es, der sie aufgefordert hatte, mit nach draußen zu kommen? Ja. Und das Kokain? Ja, das war auch seins. Samantha. Wer hatte die Idee? Er. Wer hat als Erster zugeschlagen? Er. Dann hatten sie das Mädchen zu der Müllhalde gebracht. Er hatte noch mehr Kokain, noch mehr Whisky. Ihr Bericht wurde immer verworrener. Wer hat sie als Erster vergewaltigt? Wer als Letzter? Und wo war der vierte Mann in der ganzen Zeit? Auch irgendwo dort. Er rauchte, und sie hörten ihn husten.
»Stopp«, sagte Balistreri. Piccolo nickte, sie hatte verstanden. Sie fragten jeden Einzelnen noch einmal: »Wo war der vierte Mann, als ihr das Mädchen vergewaltigt habt?« Einer von den dreien war etwas heller als die anderen. »Irgendwo im Hintergrund. Wir konnten ihn nicht sehen, aber er rauchte und hustete.«
»Von Husten habt ihr nie etwas gesagt«, bemerkte Piccolo und blätterte im Protokoll.
Der eine Junge zuckte mit den Schultern und antwortete gleich auf Italienisch. »Ist doch auch scheißegal.«
Sie zeigten ihnen ein jüngeres Foto von Hagi. Unwillig sahen die Jungen es sich an. »Nein«, sagte der eine. »Keine Ahnung«, der zweite. »Vielleicht, kann sein«, der dritte.
Dann zeigten sie ihnen ein Foto von Hagi, das sie am PC verändert hatten, mit langen Haaren und Sonnenbrille. »Ja, das ist er«, sagten die Jungen.
»Und wer von euch hat als Letzter mit ihm gesprochen?«
Das wussten sie nicht mehr. Irgendwann war der Mann spurlos verschwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Sie bekräftigten ihre Aussage, dass Samantha noch lebte. Sie habe gestöhnt, als sie von ihr abließen. Diesmal hatte Balistreri keinen Zweifel, dass sie die Wahrheit sagten. Der Unsichtbare hatte sie getötet.
Wenn ein Handy verschwand, das in irgendeinem Zusammenhang mit einer kriminellen Tat stand, wurde der Mobilfunkanbieter aufgefordert, es sofort zu melden, falls die SIM -Karte reaktiviert wurde. Um Punkt zehn, als Balistreri und Piccolo soeben das Regina Coeli betraten, erreichte eine entsprechende Nachricht Corvu im Büro. Die SIM -Karte von Selina Belhrouz war reaktiviert worden, und die Telefongesellschaft konnte sehr präzise Angaben dazu machen. Der Standort, den sie identifiziert hatten, befand sich in einer sehr begrenzten Mikrozelle von Rom, die mitten im Casilino 900 lag.
Da er mit Balistreri nicht kommunizieren konnte, den Vorgang aber korrekt weiterleiten wollte, übermittelte Corvu die Nachricht an Pasquali.
»Wir fahren mit zwei Beamten hin. Ohne Blaulicht, wir dürfen niemanden aufscheuchen«, beschloss Pasquali sogleich.
»Aber, Dottor Pasquali«, warnte Corvu. »Lassen Sie doch mich hinfahren, mit ein paar Kollegen. Das könnte gefährlich für Sie werden …«
»Die Verhaftung führen wir selber durch. Sorgen Sie nur dafür, dass an jedem Ausgang eine Streife postiert wird, aber diskret. Wir sehen uns in fünf Minuten«, endete Pasquali.
Corvu zog die kugelsichere Weste und das Holster mit der Beretta an und gab zwei Kollegen Bescheid, die übliche Besetzung bei normalen Festnahmen. Allerdings war noch nicht gesagt, ob dies eine normale Festnahme werden würde. Er versuchte es noch einmal auf Balistreris und auf Piccolos Handy. Fehlanzeige, also hinterließ er beiden eine SMS: »Bitte sofort zurückrufen.«
Pasquali tat drei Dinge, in Eile. Er zog die kugelsichere Weste an, er bereitete seine Beretta vor, und er wandte sich dem Kruzifix zu.
»Allmächtiger, vergib mir, was ich nun tun werde.«
Corvu und Pasquali setzten sich auf die Rückbank, hinter die beiden Polizisten in Zivil.
»Gut«, sagte Pasquali. »Die Telefongesellschaft hat die Zone auf insgesamt sechs Baracken eingegrenzt. Wir gehen ganz in Ruhe hinein, wie auf einer normalen Streife. Mittlerweile haben sie sich an die Polizei ja gewöhnt. Wenn wir drin sind, muss jeder, der das Lager verlassen will, durchsucht werden und seine Personalien angeben.«
Corvu protestierte. »Dottor Pasquali, ich glaube, es wäre besser, die Durchsuchung mit einem größeren Aufgebot …«
»Nein. Dann landet das Handy in einer Mülltonne, und wir erfahren nie, wer es bei sich hatte. Ich möchte den Gesuchten mit dem Handy in der Hand schnappen.«
»Das könnte gefährlich werden«, erwiderte Corvu.
»Genau deshalb sind wir hier. Und damit eins klar ist: Wir haben schon drei tüchtige Polizisten verloren, und Dottor Balistreri ist
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