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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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wie Cardinale Alessandrini später Gina Giansantis Hände gedrückt hatte.
    Verschwommen erinnerte er sich auch noch an das Geräusch, mit dem Commissario Teodoris Tasse auf dem Boden zerbrochen war. Das war das Ende von Michele Balistreris Allmachtswahn gewesen. Und der Beginn eines langsamen Abschieds vom Leben.
    Elisa Sordi ist erst um acht gegangen, als ich gerade ins Taxi zum Flughafen stieg.
    Er verfluchte sich dafür, ihr geglaubt zu haben. Nicht nachgedacht und nicht gehandelt zu haben, damals und in den darauffolgenden vierundzwanzig Jahren. Nicht den Mut gehabt zu haben, seinem Instinkt und seiner Überzeugung zu folgen. Sich nicht an Jesu Worte erinnert zu haben, dass für das Volk Gottes der Glaube vor der Moral komme. Nicht Cardinale Alessandrinis Ansichten über göttliche und irdische Gerechtigkeit bedacht zu haben.
    Wie oft hatte sich Gina Giansanti seit damals wohl an diese Lüge erinnert, bis zu diesem Moment, da sie sich verfluchte, sie ausgesprochen zu haben? Welch unermessliche Schuld hatte sie mit ihrer Lüge, die sich nun nicht mehr aufrechterhalten ließ, tilgen wollen?
    Balistreri wusste, dass er nicht viel Zeit hatte. »Signora Gina, ich habe verstanden. Aber Sie müssen mir jetzt sagen, wann Sie Elisa Sordi wirklich zum letzten Mal gesehen haben.«
    Gina Giansanti hob ihr schmerzerfülltes Gesicht und sah ihn an. »Elisa rief mich kurz vor fünf über die interne Leitung an, kurz bevor Sie und Angelo Dioguardi kamen. Ich ging zu ihr, um die Unterlagen, die sie bearbeitet hatte, zu Cardinale Alessandrini hochzubringen. Sie war froh, dass sie fertig war. Da habe ich das arme Mädchen zum letzten Mal gesehen.«
    Franca Giansanti sah ihre alte Mutter sprachlos an. Balistreri stellte keine weiteren Fragen. Im Moment hatte er keine Zeit dafür.
    »Ich muss sofort los«, sagte Balistreri.
    Die Alte umarmte ihn und legte für einen Moment ihr Gesicht an seine Brust. »Ich flehe Sie an, Dottore, retten Sie meine Enkelin.«
    Im Auto sah Balistreri die Flecken von Gina Giansantis Tränen auf seinem Jackett. Feuchte Rinnsale, die zusammen mit den schlimmen Erinnerungen vom Kragen zum Herzen hinunterliefen.
    Vierundzwanzig Jahre zuvor hatte in einem paradiesischen Anwesen ein Grüppchen von Personen, die über jeden Verdacht erhaben waren, die unerfahrenen und zerstreuten Ermittler getäuscht, indem sie logen und vieles verschwiegen.
    Balistreri dachte an das unrühmliche Ende der Karriere des armen Teodori und an die vielen Menschen, die nicht zuletzt wegen dieser verhängnisvollen Lüge sterben mussten. Vierundzwanzig Jahre lang war die Wahrheit, nach der alle suchten, unter dieser Lüge verschüttet gewesen.
    Sie alle, Befragte und Ermittler, waren schuld daran, dass ein grausames Verbrechen ungestraft geblieben war und einen teuflischen Mechanismus in Gang gesetzt hatte. Und die Opfer waren noch nicht gezählt.
    Nachmittag
    Auf dem Rückflug las er noch einmal die Akte zu Elisa Sordi. Gina Giansantis Falschaussage hatte alle Verdachtsmomente gegen Manfredi und andere eventuelle Tatverdächtige aus der Via della Camilluccia zerstreut und die Sicht auf den Fall völlig verzerrt. Mit ihrer Behauptung, Elisa um acht noch gesehen zu haben, hatte Gina Giansanti ihnen allen ein Alibi geliefert. Durch den Anpfiff des WM -Spiels um halb neun und die anschließenden Feierlichkeiten hatte jeder irgendeinen Freund, der bezeugen konnte, dass er nicht an der Sache beteiligt war.
    Doch nun kehrten sie zum Ausgangspunkt zurück, zu Elisas Stechkarte, die ordnungsgemäß um halb sieben abgestempelt worden war. Für die Zeit zwischen halb sieben und acht hatte niemand ein handfestes Alibi. Ganz sicher nicht die drei jungen Männer, Valerio, Manfredi und Paul. Der Conte hatte eine Unterredung mit dem Innenminister, was noch im Detail rekonstruiert werden müsste. Cardinale Alessandrini war in den Vatikan gefahren, was schwierig zu kontrollieren sein würde. Und andere kamen noch hinzu: Wer weiß, wo zum Teufel Hagi, Colajacono und Ajello sich am 11. Juli 1982 in diesem Zeitraum aufgehalten hatten.
    Am frühen Samstagnachmittag landete das Flugzeug wieder in Rom. Im Taxi durchquerte Balistreri die nur noch von Touristen bevölkerte Stadt, deren Bürger längst vor der Hitze geflohen waren. Überall an den Wänden las man wieder Graffiti gegen die Einwanderer. Die kleinen Pakistanis, die gewöhnlich an den Ampeln Windschutzscheiben schrubbten, näherten sich nur ängstlich. Am Hauptbahnhof fiel auf, dass die

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