Du bist das Boese
sehr glaubwürdig klang.
»Sie haben einen Verrückten mit Fernglas erwähnt. Wen meinten Sie damit?«
»Den Sohn des Conte, der allen von der Terrasse aus hinterherspioniert.«
»Kennen Sie Manfredi?«
Valerio verzog das Gesicht. »Normalerweise kommt er schon mit Helm aus dem Haus, damit man sein Gesicht nicht sieht. Als ich Elisa am Samstag vor drei Wochen überraschen wollte, sah ich ihn allerdings mit ihr plaudern. Er fand gleich eine Ausrede und verschwand, ohne mich auch nur zu grüßen.«
»Hat Elisa Ihnen gesagt, was er wollte?«
»Sie hatte ihn ein paar Monate zuvor mal morgens im Hof getroffen, als es furchtbar regnete. Er hatte einen Regenschirm dabei und brachte sie vom Tor bis zur Villa B. Später rief er sie über den internen Anschluss an, genau zu der Zeit, in der Elisa sonst immer einen Cappuccino trinken ging. Es schüttete immer noch, und er bot sich an, sie wieder zu begleiten. Wenn Sie mich fragen, kannte er ihre Gewohnheiten, weil er sie die ganze Zeit mit dem Fernglas beobachtet hat.«
»Wahrscheinlich. Haben Sie Elisa das gesagt?«
»Ja, aber sie fand das nicht schlimm. Sie sagte, er sei immer sehr höflich und nett. Wenn sie allein im Büro war, ist er wohl gelegentlich hin, um ein bisschen mit ihr zu quatschen. Er tat ihr leid.«
»Hat Elisa Ihnen gegenüber irgendwelche Annäherungsversuche erwähnt?«
»Sie war sich ganz sicher, dass er das nie tun würde, aber ich bin da anderer Meinung. Ein Typ mit so einem Gesicht, solchen Muskeln und einem solchen Benehmen hätte sich jederzeit über sie hermachen können.«
Elisa Sordi musste ein naiver Mensch mit einer barmherzigen Seele oder eine billige Nutte gewesen sein. Hätte ich nicht mit eigenen Augen gesehen, wie verlegen sie auf mein vulgäres Verhalten reagiert hatte, hätte ich zweifellos für Letzteres plädiert.
»Haben Sie Manfredi dann nie wieder getroffen?«
»Nur einmal, wieder im Hof. Da hatte er aber den Helm auf. Ich wartete am Brunnen auf Elisa, um sie nach Hause zu bringen, und rauchte eine Zigarette. Plötzlich kam er und schickte mich zum Rauchen vors Tor. Er stellte sich neben seine Harley und wartete, bis ich draußen war. Dann ist er weggefahren.«
»Haben Sie ihn vergangenen Sonntag auf der Terrasse gesehen, als Sie mit Elisa sprachen?«
»Ich habe sein Fernglas aufblitzen sehen. Er hat uns beobachtet.«
»Wie ist eigentlich Ihre Prüfung gelaufen, Signor Bona?«
Er lächelte gequält. »Seit Elisas Verschwinden kann ich mich nicht mehr konzentrieren, also habe ich es lieber gleich gelassen.«
Ich deutete auf das Boot mit der Nummer zweiundzwanzig. »Aber als Skipper bereitet ihr Tod Ihnen wohl keine Probleme.«
Er sah mich ernst an. »Sie verstehen überhaupt nichts. Das Boot ist der einzige Ort, an dem ich es schaffe, nicht daran zu denken.«
»Und wenn Sie daran denken, was denken Sie dann?«
»Dass dieser Manfredi gefährlich ist.« Sofort bereute er seine Worte. »Glaube ich jedenfalls …«
Ich war guter Dinge, als ich ihn verließ.
Nachdem ich mich drei Stunden durch den dichten Verkehr gequält hatte, erreichte ich die Squadra mobile. Teodori hatte mich gebeten, auf ihn zu warten, und da Vanessa nicht da war, ging ich einfach in sein Büro.
Auf dem Schreibtisch stand ein gerahmtes Foto von einem stark geschminkten Mädchen, ein bisschen moppelig, aber hübsch. Ich wusste, dass Teodori allein lebte und eine achtzehnjährige Tochter namens Claudia hatte. Ein Ermittler mit einer Tochter, die genauso alt war wie die Verstorbene. Eigentlich hätte er die Psychologie des Opfers gut nachvollziehen können müssen. Aber Teodori war zu sehr damit beschäftigt, bloß nicht den illustren Anwohnern der Via della Camilluccia zu nahe zu treten. Und bestimmt war Claudia Teodori ganz anders als Elisa Sordi, das sah man schon auf dem Foto.
Die rote LED -Anzeige des Anrufbeantworters meldete zwei Nachrichten. Ich konnte einfach nicht anders, denn die Jahre beim Geheimdienst hatten mich gelehrt, dass jede Quelle erlaubt und jede Gelegenheit zu nutzen ist. Die erste Nachricht kam von einer weiblichen Stimme. »Guten Tag, Dottor Teodori. Hier ist die Villa Alba. Wir bitten Sie, so bald wie möglich zu Ihrer Tochter in die Klinik zu kommen, um mit dem Arzt zu sprechen. Auf Wiederhören.« Die zweite Nachricht kam von einer männlichen Stimme. »Teodori, Coccoluto hier. Ich wollte dir nur sagen, dass du dir keine Sorgen machen musst, ich habe mit dem Staatsanwalt und mit dem Richter gesprochen. Wenn wir den
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