Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
Vom Netzwerk:
er ist ein glücklicherer Mensch als ich.«
    Bezog sich diese kryptische Bemerkung nur auf sein Gesicht? Das war im Augenblick nicht festzustellen. Wir verabschiedeten uns unter zahlreichen Entschuldigungen von Teodoris Seite. Der Conte und Ulla ließen sich gar nicht mehr blicken. Der Privatsekretär des Conte begleitete uns hinaus wie ein Rausschmeißer, der angesäuselte Gäste vor die Tür setzt.
    Wir fuhren zurück zur Mordkommission, ich saß am Steuer. Keiner von uns sagte etwas. Irgendwann sah ich Tränen unter Teodoris dunklen Brillengläsern hinabrollen.
    »Warum?«, fragte ich. An weibliche Tränen war ich gewöhnt, auf die achtete ich gar nicht mehr. Aber bei einem erwachsenen Mann war mir das unangenehm.
    »Ich bin über dreißig Jahre im Dienst, Balistreri. Und jetzt, mit sechzig, sitze ich plötzlich in einer abscheulichen Klemme und muss mich von einem Grünschnabel wie Ihnen behandeln lassen wie ein Hosenscheißer und Parasit.«
    Aus seinen Worten sprach Wut und Erniedrigung. Plötzlich sah ich den Schmerz eines schlichten, aber anständigen Menschen, der vom Leben gestraft war.
    »Keine Angst, ich werde niemandem etwas sagen. Und Coccoluto wird Ihre Tochter da schon rausholen …«
    »Ja, das wird er. Aber nur, wenn ich bei unserem Fall beide Augen zudrücke!«, sagte er verbittert.
    Ihm waren also auch Zweifel gekommen, als er Manfredi gesehen hatte, sein Gesicht, seine Muskeln, Mein Kampf , das Zimmer mit den brutalen Postern. Und dann kamen noch die innigen Gespräche mit Elisa hinzu.
    »Das ist der moralische Preis dafür, dass Coccoluto einen Dealer erfindet, um Ihrer Tochter eine Anklage wegen vorsätzlichen Mordes zu ersparen …«
    »Den muss man nicht erfinden, verdammt!«, schrie er aufgebracht. »Claudia hat mir sogar den Namen genannt. Ich musste ihr aber versprechen, ihn nicht an die Polizei weiterzugeben, weil sie eine Wahnsinnsangst vor dieser Bestie hat. Und ich übrigens auch. Der hat Kontakte zu einem Ring von gefährlichen Dealern.«
    Ich sah ihn schweigend an. Gelbe Tränen. Nur Kinder bereiten einem solchen Kummer. Ich dachte an meinen Vater und an das, was er wegen mir hatte durchmachen müssen. Und ich wegen ihm. Und an die Eltern von Elisa Sordi, die immer noch auf Gerechtigkeit hofften. Ich mochte ein unsensibles Arschloch sein, aber Teodoris Problem konnte ich lösen. Ein gefährlicher Dealer machte mir keine Angst, ich hatte schon anderes überstanden. Auf einmal empfand ich Mitleid für diesen Vater mit den gelben Augen.
    Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. »Teodori, mir können Sie den Namen von diesem Dreckskerl ruhig sagen, ich bin ja nicht die Polizei.«
    Nach dem Gespräch mit Teodori zog ich über einen Exkollegen vom Geheimdienst ein paar Erkundigungen ein. Marco Fratini, der Dealer, war ein kleiner Fisch. Beste Familie, Unternehmersohn, Langzeitstudent an einer konfessionellen Privatuni, angenehme Erscheinung. Ein netter Junge aus dem vornehmeren Rom, der gerne durch die Discos tingelte. Nur dass sein Vater nach der soundsovielten geschwänzten Prüfung sauer wurde und ihm das Taschengeld strich. Das verwöhnte Bürschchen war zwar nicht fleißig, aber clever und tat geschwind eine neue Einkommensquelle auf. Sein Aussehen und seine hervorragenden sozialen Kontakte prädestinierten ihn zum Pusher von Amphetaminen in den angesagten Discos. Außerdem hatte er entdeckt, dass manche dieser Pillen, wenn man sie heimlich in ein Bier plumpsen ließ, die Mädels gefügiger machten.
    Es wäre ein Leichtes gewesen, ihn mir vorzuknöpfen und die Wahrheit aus ihm herauszuprügeln. Die eigentliche Gefahr ging aber von der Bande von Gaunern aus, die ihm die Ware lieferten. Denen einen lukrativen Vertriebsweg zu nehmen, nur um Claudia Teodori zu retten, würde das Mädchen in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Ich brauchte einen Plan.
    »Wenn ihr erst mal im Auto sitzt, hast du höchstens eine Minute Zeit, Vanessa. Ich will nicht, dass du dich in Gefahr bringst.«
    Sie lachte nur. »Der Einzige, der sich in Gefahr bringt, ist der Typ. Aber erklär mir doch mal, was genau ich in der einen Minute mit ihm anstellen soll, Commissario.«
    Bei diesen Worten ließ sie ihre Fingernägel von meinem Knie zur Leiste hochwandern. Ich lachte und schob ihre Hand sanft weg.
    »So viel wie möglich. Alles, was du in einer Minute schaffst.«
    Sie sah mich verschlagen an. »Weißt du, Commissario, ich war jahrelang mit einem Mann zusammen, der furchtbar langweilig war. Vor allem im Bett.

Weitere Kostenlose Bücher