Du bist das Boese
den ich mich gut erinnerte: »Die großen Epochen unsres Lebens liegen dort, wo wir den Mut gewinnen, unser Böses als unser Bestes umzutaufen.«
Manfredi lehnte sich an die Wand, so weit von uns entfernt wie möglich. Dann fragte er mich ganz direkt.
»Also, was wollen Sie wissen?«
»Nur, ob und wann Sie mit diesem Mädchen vor Sonntag, dem elften, gesprochen haben«, mischte Teodori sich mit nachsichtigem Ton ein.
»Klar habe ich mit ihr gesprochen, wie alle jungen Leute, die hier herumlaufen. Der junge Priester mit den roten Haaren hat auch mit ihr gesprochen. Oder meinen Sie, ich hätte nicht das gleiche Recht wie ein Priester, mit einem hübschen Mädchen zu plaudern?«
Teodori, der mit dieser Frage völlig überfordert war, murmelte ein paar unverständliche Worte. Jetzt befand er sich wirklich in dem Bild, das im Salon an der Wand hing, und sein Schiff war schon fast versunken.
»Natürlich haben Sie das Recht dazu«, sagte ich und schaute ihm in die Augen. »Was weiterreichende Hoffnungen angeht, nun, das ist wieder eine andere Frage.«
Ich sah, wie sich Bizepse und Brustmuskeln anspannten, und behielt seine Hände gut im Auge. Hier hingen viele Plakate von Kung-Fu-Filmen. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass der Junge kampfsporterprobt war.
In aller Ruhe erzählte er uns, wie er Elisa Sordi kennengelernt hatte. Er wusste, wann sie morgens kam. An jenem Tag hatte es in Strömen gegossen, und er hatte durchs Fernglas gesehen, dass sie keinen Regenschirm dabeihatte. Genauso, wie Elisa es später Valerio Bona geschildert hatte.
»Und worüber haben Sie mit ihr geredet?«
»Sie fragte, was ich so mache, und ich erzählte, dass ich ein privates Gymnasium besuche. Wir haben nur ein paar Worte gewechselt, weil sie zu tun hatte.«
»Samstag vor vier Wochen haben Sie Elisa in ihrem Büro besucht.«
»Sie hatte gesagt, dass sie sich freuen würde, wenn ich mal vorbeischaue.«
Sein Ton war der normalste auf der Welt. Als könnte eine Göttin wie Elisa Sordi sich für so ein Monster interessieren. Vielleicht dachte der Junge, sein familiärer Hintergrund verleihe ihm irgendwelche Sonderrechte über das weibliche Gesindel, das in diesem Paradies geduldet wurde. Eine moderne Spielart des ius primae noctis .
»Wollen Sie damit sagen, dass Elisa Sordi sich um Ihre Gesellschaft bemüht hat?« Ich hatte so viel Ironie und Ungläubigkeit wie möglich in meine Frage gelegt. Er schaute mich lange an. Nur noch der keuchende Atem Teodoris war zu hören. Dieser Junge würde mich für immer hassen, egal, ob er schuldig oder unschuldig war.
»Genauso war es. Und wenn Sie mir nicht glauben, ist das Ihr Problem.«
»Schon gut. Und worum ging es in Ihrem Gespräch?«
Er versuchte zu lächeln, was seine Maske noch stärker verzerrte. »Um wahre Gefühle und um falsche. Eigentlich haben wir über Liebe geredet.«
Dieses kleine Monster erzählte mir Märchen, als hätte es ein Kindergartenkind vor sich.
»Über Liebe? Ein bisschen konkreter bitte, das ist wichtig. Wer hat worüber geredet?«
»Elisa war irgendwie nachdenklich, traurig. Ich glaube, sie hatte Probleme mit diesem Typen, der hinter ihr her war.«
»Hat sie das ausdrücklich gesagt?« Teodori schöpfte schon wieder Hoffnung.
»Nicht wirklich. Aber sie ließ so eine Bemerkung fallen, dass es in der Liebe nur unglücklich macht, das Unmögliche erzwingen zu wollen.«
Das Ergebnis der Obduktion kam mir in den Sinn. Anzeichen für einen Schwangerschaftsabbruch in den vorangegangenen zwei Wochen. Ein schon länger andauerndes Verhältnis, eine Verspätung im Zyklus, ein Schwangerschaftstest, die Abtreibung. Das Gespräch mit Manfredi hatte wahrscheinlich stattgefunden, als sie bereits von der Schwangerschaft wusste, wenige Tage vor dem Abbruch.
»Hatten Sie Sex mit Elisa Sordi?«, fragte ich geradeheraus, um ihn in die Ecke zu drängen.
Komischerweise musste er nachdenken. »Und ich dachte, diese Möglichkeit hätten Sie bereits ausgeschlossen«, antwortete er dann ironisch.
»Sie könnten sie ja auch vergewaltigt haben«, entgegnete ich brutal.
Teodori explodierte. »Das reicht, Dottor Balistreri! Ich halte nichts von solchen Methoden.« Um zu beweisen, dass er trotz allem objektiv war, wandte er sich an Manfredi.
»Vergessen Sie diese Bemerkung. Und beantworten Sie die Frage von Dottor Balistreri.«
»Nein«, sagte Manfredi. »Ich muss und ich will Ihnen nicht mehr antworten, schließlich habe ich Elisa Sordi nicht umgebracht. Egal, wer es war,
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