Du bist die pure Sinnlichkeit
tragisch.
„Ja, sie trug einen Helm und hat zum Glück keine Kopf-oder Hirnverletzungen erlitten”, erklärte Dr. Eilender. Doch ehe Alexa erleichtert aufatmen konnte, ließen die nächsten Worte der Ärztin ihren Herzschlag erneut aussetzen. „Unglücklicherweise wurde ihr Rückenmark verletzt, und zusätzlich hat sich das Kind einige Knochen gebrochen.”
Alexa umklammerte ihren Stift so fest, daß die Knöchel ihrer Finger weiß hervortraten. „Ist sie gelähmt?”
Dr. Eilender nickte finster. „Anfangs konnten wir das ganze Ausmaß nicht ermitteln, da ihr Becken gebrochen war, doch nun sieht es so aus, als wäre das Mädchen von den Knien abwärts gelähmt. Seine Hüfte und die Oberschenkel sind sehr steif vom Gips und dem Streckverband, doch sie hat noch Gefühl in den Gliedern, und mit intensiver Physiotherapie wird sie hoffentlich wieder in der Lage sein, sie normal zubewegen.”
„Wird sie unterhalb der Knie gelähmt bleiben?” erkundigte Alexa sich.
„Nun, wir sind uns in diesem Punkt noch nicht sicher. Das Rückenmark wurde nicht durchtrennt, so daß eine Chance auf Genesung besteht. Doch die Nerven wurden gequetscht und funktionieren noch nicht so, wie wir gehofft hatten. Es kann Monate dauern, ehe wir das ganze Ausmaß der Lähmung kennen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß dies alles außer den körperlichen Auswirkungen auch große seelische Probleme für das Mädchen mit sich bringt.”
„Ja”, murmelte Alexa und stellte sich die erschütterten Eltern vor, den Schmerz des kleinen Mädchens und ihre Angst und Verwirrung. Und natürlich die verzehrende Wut, die ein Bestandteil solch eines verheerenden Unfalls war.
„Ich hoffe sehr, Sie übernehmen diese Patientin”, meinte Dr. Eilender ernst. „Sie sind für mich als Physiotherapeutin dieses Kindes die erste Wahl. Doch ehe Sie sich dazu entschließen, muß ich Sie fairerweise warnen, daß die Familiensituation in diesem Fall… unsicher ist. Labil.” Die Ärztin machte eine Pause, rieb Sich die Schläfen und seufzte tief. „Ach, warum die Dinge beschönigen? Die Familiensituation ist katastrophal.”
Alexa sah sie überrascht an. Die energische, positiv eingestellte Dr. Judith Eilender klang selten so pessimistisch.
„Wie schlimm?” erkundigte Alexa sich neugierig.
„Die Eltern haben sich scheiden lassen, als das Mädchen - sie heißt übrigens Kelsey
- noch ganz klein war. Die Mutter hat das Sorgerecht, doch der Vater zahlt Unterhalt und blieb stets mit dem Kind in Verbindung. Er ist sehr verbittert über seine Ex-Frau, der er die Schuld am Unfall des Kindes gibt, und hat sich nun entschlossen, seinerseits Sorgerechtsanspruch auf das Kind zu erheben.”
„Also soll das Kind zusätzlich zu dem erlittenen Trauma und Schmerz auch noch Gegenstand eines Sorgerechtskampfes werden?”
Alexa preßte wütend die Lippen zusammen. Sie war sowohl besorgt um das verletzte Kind, als auch voller Abscheu für die streitenden Eltern.
„Das ist nicht gerade förderlich für eine Genesung.”
„Ich bin ganz Ihrer Meinung”, stimmte ihr Dr. Eilender zu und erhob sich. „Kelsey wohnt derzeit bei ihrem Vater, seit sie letzte Woche aus dem Krankenhaus entlassen wurde, weil er ein größeres Haus hat und bereits einige Dinge installieren ließ, um die Betreuung des Kindes zu erleichtern.” Auf dem Gesicht der Ärztin erschien plötzlich ein warmes Lächeln.
„Es gibt auch einen Lichtblick - den wundervollen, besorgten Vater. Er ist ruhig und geduldig und so überaus vernünftig. Es ist ein Vergnügen, mit einem Mann wie ihm zu sprechen. Ich wünschte, alle Eltern meiner Patienten könnten wie er sein.”
„Ich nehme an, Sie werden während des Sorgerechtsverfahrens zu seinen Gunsten aussagen”, meinte Alexa ironisch.
Dr. Eilender bewegte sich unruhig auf ihrem Stuhl. „Ich habe in der Tat… bestimmte Vorbehalte gegen die Mutter. Sie war sehr schwierig im Umgang mit den Krankenhausangestellten. Sie war hysterisch und anklagend und, nun, so ganz anders als der Vater. Doch wir müssen uns jetzt nicht weiter damit befassen, Alexa.
Ich würde gern wissen, ob Sie Kelsey zusätzlich zu den vielen Fällen, um die Sie sich kümmern, übernehmen und ob Sie sofort mit ihr arbeiten können.
„Morgen wäre keinen Tag zu früh. Dieses kleine Mädchen braucht Sie wirklich.”
Die Entscheidung war klar. Mindestens die Hälfte der Überweisungen bekam Alexa von Dr. Ellenders großer Kinderorthopädiepraxis.
Die Ärztin hatte sie sehr
Weitere Kostenlose Bücher