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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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hatte.
    Als Sita an diesem Abend im Restaurant eintraf, erfuhr sie von Onkel- ji , dass Varuni gekündigt hatte und sie statt ihrer das Essen servieren müsse. Gehorsam schlüpfte Sita in den Sari, den ihr Tante- ji brachte, und half bei den Vorbereitungen, indem sie die Tische abwischte. Danach versuchte sie sich die Speisekarte einzuprägen. Sie war auf Hindi geschrieben und sowohl ins Französische als auch ins Englische übersetzt.
    Tante- ji wuselte währenddessen hektisch herum, verteilte die Tischtücher und deckte ein. Sita wurde von ihr mit der Aufgabe betraut, an jedem Tisch eine Kerze anzuzünden. Vor lauter Eile blieb Tante- ji kaum Zeit für Kritik. Zum ersten Mal seit Sitas Eintreffen behandelte sie das Mädchen mit einem Mindestmaß an Respekt.
    Gegen sieben begannen die ersten Gäste einzutrudeln. Onkel- ji begrüßte sie, und Sita führte sie an ihre Plätze. Wenn es sich um Inder handelte, sprach sie Hindi, mit allen anderen redete sie Englisch. Onkel- ji stand immer in der Nähe bereit, um einzugreifen, falls jemand nur Französisch verstand. Beim Servieren versuchte sie Varuni nachzuahmen, wirkte dabei aber ein wenig linkisch. Man merkte, dass sie noch keine Erfahrung hatte. Wenn sie sich gar nicht mehr anders zu helfen wusste, lächelte sie einfach und empfahl das Hühnchen Tikka masala.
    Obwohl nicht viel Betrieb herrschte, sorgten die Stammgäste dafür, dass Sita beschäftigt blieb. Was ihr an Erfahrung fehlte, machte sie durch ihre Intelligenz wett. Seit jeher stolz auf ihr gutes Gedächtnis, nahm sie die Bestellungen auf und servierte den Gästen ihre Gerichte, ohne einen Notizblick zu Hilfe zu nehmen.
    »Die neue Kellnerin ist recht angenehm«, sagte einer der Stammgäste zu Onkel- ji . »Wo hast du sie aufgetrieben?«
    »Sie kommt aus Bombay und ist die Tochter meines Cousins«, erklärte er. »Wir sind sehr froh, sie hier zu haben.«
    Sita wusste nicht recht, ob das Lob ernst gemeint oder geheuchelt war, wertete es aber als positives Zeichen. Vielleicht würde Onkel- ji ihr ja weiterhin erlauben, zu bedienen. Das war immer noch besser, als mit einer Zahnbürste sämtliche Badezimmerfliesen zu schrubben.
    Die letzten beiden Gäste – ein älteres indisches Paar – gingen ein paar Minuten, bevor das Restaurant schloss. Nachdem Sita den Tisch abgewischt hatte, holte sie einen Besen aus dem Schrank und fegte den Boden. Ein paar Minuten später bekam Onkel- ji einen Anruf auf seinem Handy, nach dem er sichtlich aufgeregt wirkte. Nervös ging er vor der Tür des Lokals auf und ab, bis draußen eine dunkle Gestalt auftauchte.
    Der Restaurantbesitzer führte den Mann hinein und begrüßte ihn per Handschlag. Als Sita ihn von hinten betrachtete, regte sich in ihrem Kopf etwas. Obwohl er ihr den Rücken zuwandte, kamen ihr sein Haar und seine Jacke irgendwie bekannt vor. Während sie weiter den Boden fegte, beobachtete sie den Mann aus dem Augenwinkel. Schließlich drehte er sich um.
    Der Fremde war Navin.
    Beim Anblick seines Gesichts blinzelte sie erstaunt. Rote Striemen zogen sich über seine Wange, und er hatte ein blaues Auge.
    Er betrachtete sie, ohne eine Miene zu verziehen. »Sie hat sich wohl recht gut gemacht«, stellte er fest.
    »Ja«, antwortete Onkel- ji , während er Navin an den Ecktisch neben dem Fenster winkte. Er sah Sita an. »Bring unserem Gast eine Flasche Brandy und ein Glas.«
    Als sie Navin den Brandy und das Glas hinstellte, bemerkte sie, dass Onkel- jis Hände zitterten. Der Restaurantbesitzer schenkte ihr kaum Beachtung. Rasch entfernte sie sich wieder. Während sie weiter den Boden fegte, versuchte sie möglichst viel vom Gespräch der Männer mitzubekommen.
    Obwohl Navin sehr leise redete, schnappte sie zwei Worte auf: »verhaftet« und »Polizei«.
    Onkel- ji antwortete mit lauterer Stimme: »Du hast ihnen doch nichts verraten, oder?«
    Navins Antwort war nicht zu verstehen, die Reaktion von Onkel- ji dafür umso deutlicher.
    »Was soll das heißen?«
    Navin gab ihm keine Antwort. Stattdessen beäugte er Sita und neigte den Kopf leicht in ihre Richtung. Rasch wandte sie sich ab und tat, als würde sie sich ganz und gar auf ihre Arbeit konzentrieren. Für einen Moment herrschte im Raum Schweigen, dann blaffte Onkel- ji sie an: »Warte in der Küche!«
    Eilig machte sie sich davon. Alle möglichen Fragen schwirrten ihr durch den Kopf. Suchte die Polizei nach ihr? Hatte Navin ihnen gesagt, wo sie war? Im Durchgang zur Küche blieb sie stehen und lauschte angestrengt,

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