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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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hörte aber nur noch Gemurmel, bis Onkel- ji plötzlich die Stimme erhob.
    »Du musst uns helfen!«, rief er. »Du hast sie schließlich angeschleppt!«
    Navin runzelte die Stirn. Mit einem Blick in ihre Richtung stand er abrupt auf und verließ das Restaurant. Durchs Fenster beobachtete sie, wie er in der Dunkelheit verschwand.
    Dann wandte sie sich zu Onkel- ji um, der immer noch am Tisch saß, allerdings mit dem Rücken zu ihr. Sie fragte sich, was er nun tun würde. Im Moment murmelte er leise vor sich hin. Die Flasche mit dem Brandy stand ungeöffnet vor ihm. Er griff nach dem Glas. Nachdem er einen langen Moment hineingestarrt hatte, erhob er sich und kam schnellen Schrittes auf sie zu. Aus seinen weit aufgerissenen Augen sprach Panik.
    »Du musst jetzt mit mir kommen!« Mit diesen Worten packte er sie am Arm.
    Er führte sie durch die Küche in die Wohnung. Tante- ji bedachte ihn mit einem seltsamen Blick, schenkte Sita aber weiter keine Beachtung. Er führte sie zu einem Schrank im Schlafzimmer und schaltete das Licht an. Der Schrank war mit Kleidung vollgestopft.
    »Du musst dich da drin verstecken«, erklärte er.
    »Warum?«
    »Keine Fragen!« Er schob sie in den Schrank.
    Als er die Tür schloss, ließ Sita sich auf einen Haufen Schuhe sinken und kämpfte gegen eine Mischung aus Platzangst und Panik an. Selbst nachdem ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie am unteren Rand der Tür lediglich einen schwachen Hauch von Grau erkennen. Sie zwang sich, tief durchzuatmen, und tastete nach dem kleinen Hanuman-Figürchen, das sie zwischen den Falten ihres Sari versteckt hatte.
    Nach einer Weile hatte sie in dem ganzen Durcheinander ein wenig Platz für sich geschaffen und lehnte nun den Kopf gegen etwas, das sich anfühlte wie eine Wollmütze. Das war nun schon der zweite Schrank, den sie seit ihrer Ankunft in Paris bewohnte.
    Aber wenigstens war es in diesem hier warm.
    Als am nächsten Morgen die Schranktür geöffnet wurde, riss Sita erschrocken die Augen auf. Sie starb fast vor Hunger und musste dringend auf die Toilette. Das grelle Licht im Schlafzimmer blendete sie. Blinzelnd blickte sie zu Onkel- ji hoch – in der Hoffnung, dass er sie erst mal ins Bad lassen und ihr dann einen Teller mit Essen in die Hand drücken würde. Stattdessen forderte er sie mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen.
    Sie erhob sich aus dem Berg aus Schuhen und ging mit ihm zum Eingang der Wohnung, wo Dmitri bereits auf sie wartete. Sita seufzte erleichtert. Sie musste also nicht den ganzen Tag im Schrank verbringen. Mittags würde sie von Tatiana etwas Gutes zu essen bekommen, und abends würde sie zurückkehren und im Restaurant das Essen servieren. Trotz Navins Besuch und Onkel- jis Aufgeregtheit würde sich nichts ändern. Nachdem sie in ihren Mantel geschlüpft war, folgte sie Dmitri über den Hof und durch die Passage Brady zu dem schwarzen Mercedes. Tatiana nahm sie in der Diele ihrer Wohnung in Empfang und wies sie an, die Räume im ersten Stock zu putzen.
    Um vier Uhr nachmittags hatte Sita sich bis ins Schlafzimmer von Wasily und Tatiana vorgearbeitet und staubte dort ein Bücherregal ab. Dabei blickte sie immer wieder zur Tür, weil sie damit rechnete, dass Tatiana jeden Moment auftauchen und sie holen würde, aber wider Erwarten ließ sich die Frau nicht blicken. Aus vier wurde halb fünf und dann fünf. Als Tatiana schließlich doch auftauchte, führte sie Sita in die Küche, wo eines von Dmitris Mädchen in Jeans und Schürze vor dem Herd stand. Sie rührte in einem Eintopf herum und behielt gleichzeitig eine Kasserolle mit Würstchen im Auge.
    »Das Ivanna«, sagte Tatiana zu Sita. »Du ihr heute Abend helfen.«
    Vor Verwirrung und Angst begannen Sitas Gedanken zu rasen. Vor Tatiana fürchtete sie sich nicht, aber sie hatte schreckliche Angst vor Dmitri und Wasily. Die Wohnung barg fürchterliche Geheimnisse, die das Tageslicht gnädig zu verhüllen schien. Wenn die Nacht hereinbrach, wollte sie dort nicht mehr sein.
    Da Ivanna kaum Englisch sprach, versuchte sie es mit Deuten und Gestikulieren. Sita half ihr, so gut sie konnte. Der Eintopf unterschied sich sehr von indischem Essen. Ivanna deutete darauf und sagte: »Borschtsch.«
    Irgendwann nach sechs servierte Ivanna das Abendessen für Wasily, Tatiana und Dmitri im Esszimmer und anschließend für sich und Sita in der Küche. Voller Heißhunger schlang Sita ihre Portion hinunter. Hinterher half sie Ivanna dabei, den Tisch im Esszimmer

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