Du bist in meiner Hand
gegenüber bedeckt. Was das Vorgehen der Franzosen betrifft, können wir nur Mutmaßungen anstellen.«
Sie musterte ihn eindringlich. »Das ist doch noch nicht alles. Du hast noch mehr auf dem Herzen.«
»Die CIA sollte dich unter Vertrag nehmen. Du bist besser als jeder Lügendetektor.«
Sie lächelte. »Ich kann nur deine Gedanken lesen.«
»Ich muss nach Frankreich«, erklärt er. »Ich glaube, ich kann Sita finden.«
Überrascht starrte sie ihn an. Ihre dunklen Augen funkelten im Licht der Fackel, die auf der Terrasse brannte. »Du meinst das ernst, oder?«
»Ja.«
»Mein Vater wird dafür kein Verständnis haben.«
»Natürlich nicht.«
»Wie schade. Ausgerechnet jetzt, wo er gerade anfängt, dich zu mögen.«
Thomas riss ungläubig die Augen auf. »Wie bitte?«
»Seine genauen Worten lauteten: ›Du hast dir da einen ganz Cleveren ausgesucht‹.«
»Na, so was! Allerdings ist Respekt nicht automatisch ein Zeichen von Zuneigung.«
»Aber auch nicht von Abneigung.«
Er musste lachen. »Vermutlich bin eher ich derjenige, der sich da eine ganz Clevere ausgesucht hat.«
Sie griff nach seinem Arm. »Flieg nach Paris«, sagte sie, »um meinen Vater kümmere ich mich schon.«
Wieder warf Thomas einen Blick auf seine Armbanduhr. Ihm blieben noch dreißig Minuten, bis sein Flug aufgerufen wurde. Er holte sein BlackBerry heraus und rief Andrew Porter im Justizministerium an. Andrew ging gleich nach dem ersten Läuten ran. Der Zeitunterschied betrug zehneinhalb Stunden, was bedeutete, dass in Washington gerade früher Nachmittag war.
Thomas brachte seinen Freund in knappen Worten auf den neuesten Stand und fragte ihn, ob er in französischen Regierungskreisen jemanden kenne, der ihm helfen könne.
»Unsere Beziehungen zu den Franzosen sind immer ein bisschen heikel«, erklärte Andrew, »aber eine Freundin von mir arbeitet im Pariser FBI-Büro. Die Mitarbeiter kennen alle diplomatischen Kniffe und genießen den Respekt der französischen Regierung. Wenn du willst, rufe ich Julia Moore an.«
»Wie gut seid ihr denn befreundet?«, fragte Thomas. »Was ich vorhabe, entspricht nicht ganz dem Amtsweg.«
»Julia und ich haben zusammen in Columbia studiert. Ich schätze sie sehr. All die anderen vom FBI würden dir nicht mal die Uhrzeit sagen. Aber Julia tut mir bestimmt einen Gefallen. Außerdem dürfte der Fall sie persönlich interessieren. Ihre Schwester wurde entführt, als sie noch ein Kind war.«
»Einverstanden«, meinte Thomas, »ruf sie an.«
»Gut. Warte zwanzig Minuten und wähle dann folgende Nummer.«
Andrew nannte ihm eine achtstellige Nummer mit einer Pariser Vorwahl. Thomas schrieb sie sich auf die Handfläche. Nachdem er aufgelegt hatte, blätterte er durch eine Ausgabe der Times of India , behielt dabei aber die Uhr im Auge.
Nach zwanzig Minuten rief er an. Julia Moore meldete sich sofort.
Nachdem Thomas sich vorgestellt und sein Anliegen vorgebracht hatte, sagte sie: »Ich werde tun, was ich kann, um zu helfen. Wo fangen wir an?«
»Als Erstes würde ich gern wissen, ob die französische Polizei von der CBI-Stelle in Bombay informiert wurde.«
»Wir haben hier in Paris Kontakte zur BRP, der Einheit zur Bekämpfung der Zuhälterei. Ich rufe gleich morgen früh an. Wie gut kennen Sie sich in Paris aus?«
»Ich habe ein Semester dort studiert. Warum?«
»Vermutlich wollen Sie ein bisschen auf eigene Faust ermitteln. Da ist es besser, wenn man sich auskennt.« Sie hielt kurz inne. »Wann landet Ihre Maschine?«
»Um halb acht Uhr morgens.«
»Fahren Sie mit dem RER der Linie B bis Châtelet-Les Halles. Ich erwarte Sie um neun vor der Église Saint-Eustache.«
»Wie erkenne ich Sie?«
»Ich trage einen roten Mantel.«
Thomas’ Maschine flog pünktlich ab, und er verschlief einen Großteil des Fluges. Nach der Ankunft am Flughafen Charles de Gaulle passierte er zügig die Kontrollen und folgte dann den Hinweisschildern zum RER-Bahnhof. Obwohl seine letzte Reise nach Paris fast zehn Jahre zurücklag, kam ihm vieles noch sehr vertraut vor.
Die Fahrt in die Stadt weckte in ihm zahlreiche Erinnerungen. Er rief sich den Espresso-Duft in dem kleinen Café im fünften Arrondissement ins Gedächtnis, wo er so oft gefrühstückt hatte, und die Stille, die in dem großen Vorlesungssaal an der Sorbonne geherrscht hatte, und auch den Beaux-Arts-Leseraum in der Bibliothèque Sainte-Geneviève, wo er immer zum Lernen hinging, wenn es zu kalt wurde, um sich in die Gärten von Pont Neuf zu setzen
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