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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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vorher anzulehnen. Als Tatiana schließlich den Raum betrat, wischte Sita wieder am Schreibtisch herum. Obwohl sich die Schlüssel kalt gegen ihre Haut drückten, empfand sie das Gefühl als irgendwie tröstlich. Was auch immer Wasily und Onkel- ji für morgen mit ihr geplant hatten, ihr blieb zumindest noch eine weitere Nacht in der Wohnung.
    Und mit der Nacht eröffneten sich Möglichkeiten.
    Später half Sita Ivanna wieder, das Abendessen vorzubereiten. Sobald das Geschirr aufgeräumt und die Küche sau ber war, brachte Tatiana Sita auf ihr Zimmer und wünschte ihr eine gute Nacht. Danach zog sie die Tür hinter sich zu und schloss von außen ab. Sita hielt den Atem an und starrte auf den Türknauf.
    Da war ein Schlüsselloch!
    Sie wartete, bis Tatianas Schritte auf dem Gang verklungen waren, ehe sie die Schlüssel aus den Falten ihres Saris hervorholte. Sie presste das Ohr gegen die Tür und lauschte mehrere Minuten lang, ob irgendetwas zu hören war.
    Draußen herrschte völlige Stille, und so nahm sie den ersten Schlüssel und schob ihn ins Schloss. Er ließ sich nicht drehen. Sie probierte den zweiten aus, doch auch der stieß auf Widerstand. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Als sie schließlich nach dem dritten Schlüssel griff und ihn im Schloss herumdrehte, betete sie, er möge passen.
    Leise glitt der Schlüssel aus der vertikalen in die horizontale Position, und sie hörte das Schloss aufspringen. Kaum zu fassen, wie leicht das ging. Vorsichtig sperrte sie die Tür wieder ab. Sie wusste jetzt, dass sie aus ihrem Zimmer entkommen konnte, und wenn sie das konnte, würde es ihr auch gelingen, mithilfe der Codes aus der Wohnung zu fliehen.
    Sie ließ sich auf dem Bett nieder und überdachte jeden ihrer Schritte ganz genau. Als sie schließlich zufrieden war, nahm sie ein langes Bad in der Wanne und schlüpfte dann wieder in ihren Sari. Sie wünschte, sie hätte festere Schuhe. Noch immer trug sie die Sandalen, die Navin ihr in Bombay gegeben hatte. Als sie nun ein paar Schubladen durchstöberte, stieß sie auf einen alten Pulli und ein Paar Wollsocken. Sie schlüpfte in die Socken und zog die Sandalen darüber. Dadurch saßen die Schuhe recht eng, aber es würde schon gehen.
    Um zehn bezog sie erneut neben ihrem Fenster Stellung und beobachtete, wie Dmitri die Mädchen über den Hof zu den Fahrzeugen scheuchte. Dieses Mal stieg wieder nur Natalia zu Dmitri in den schwarzen Mercedes. Die anderen kletterten in den hinteren Teil des Kleinbusses. Erst fuhr der Bus aus dem Hof, dann folgte der Mercedes. Sita wusste nicht, wie lange sie weg sein würden, ging aber davon aus, dass keinesfalls vor drei Uhr morgens mit ihrer Rückkehr zu rechnen war. Ihr blieb also genug Zeit, um sich davonzumachen.
    Sie ließ sich auf dem Sessel neben dem Fenster nieder, deckte sich gut zu, um nicht auszukühlen, und griff nach dem Roman, den sie angefangen hatte. Sie las darin bis nach Mitternacht. Dann stand sie auf und lauschte an der Tür. Eine halbe Stunde vorher hatte sie auf dem Gang noch Schritte gehört. Mittlerweile war Stille eingekehrt. Das war ein gutes Zeichen, doch die Gefahr, entdeckt zu werden, war immer noch groß. Sie beschloss, noch ein, zwei Stunden zu warten.
    Zu ihrem Roman zurückgekehrt, merkte sie, dass sie schwere Augenlider bekam, kämpfte jedoch gegen den Schlaf an. Ihre Gedanken begannen abzudriften: Sie sah Ahalya am Strand tanzen. Sie schüttelte den Kopf und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Bücherregal gegenüber.
    Ahalya ist nicht da, sagte sie sich. Bleib wach!
    Schon bald aber ging es wieder los. Ahalya holte sie in St. Mary’s vom Unterricht ab. Und Naresh fragte Ambini nach ihren Noten. Sie hörte ein paar Straßenhunde bellen und die Wellen an den Strand klatschen … und Ahalya schwamm ein Stück, um dann zusammen mit ihr in die Tiefe hinunterzutauchen … wo das Blau des Meeres immer dunkler wurde … bis es irgendwann ganz grau aussah … und dann schwarz.
    Erschrocken fuhr sie aus dem Schlaf. Sie sah zur Wanduhr hinüber, und blanke Panik erfasste sie. Es war bereits nach drei Uhr morgens. Sie konnte nicht fassen, dass sie eingeschlafen war. Als sie nun einen Blick aus dem Fenster warf, stellte sie zu ihrer großen Erleichterung fest, dass der Hof noch leer war. Rasch schlich sie zur Tür und presste das Ohr dagegen. Es war nichts zu hören. Vorsichtig drehte sie den Schlüssel um, öffnete die Tür und trat auf den Gang hinaus. Abgesehen von der schwachen Nachtlampe in der

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