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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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Diele lag die ganze Wohnung in Dunkelheit. Auf Zehenspitzen schlich sie den Gang entlang. Sie hielt sich am Geländer fest und trat so leicht, wie sie nur konnte, auf die oberste Stufe. Unter ihrem Gewicht gab die Holztreppe etwas nach, knarrte aber nicht. Sita arbeitete sich Stufe für Stufe vor, bis sie am Ende den Dielenboden unter den Füßen spürte. Der nächste Anflug von Angst folgte, als sie an die aktivierte Alarmanlage dachte. Würde das System piepen, wenn sie den Code eingab? Sie konnte sich nicht daran erinnern, ein solches Piepen gehört zu haben, wenn Dmitri die Anlage bediente.
    Sita schlich hinüber zum Dielenschrank und zog den wärmsten Mantel an, den sie finden konnte. Er war aus schwarzer Wolle und hatte zusätzlich zu einem Fellkragen auch noch eine Kapuze. Rasch knöpfte sie den Mantel zu und trat die letzten zwei Schritte auf die Tastatur des Codeschlosses zu. Bedrohlich leuchtete ihr das rote Licht entgegen. Nachdem Sita einmal tief Luft geholt hatte, gab sie den sechsstelligen Code ein und betete zu Lakshmi, dass sie damit keinen Alarm auslösen würde.
    Das Licht schaltete ohne Piepton auf Grün um, und die Verriegelung löste sich. Sita drehte den Knauf und trat vor die Tür. Die Eiseskälte der Winterluft raubte ihr den Atem. Es schneite sogar leicht. Aus der Ferne wehten ganz gedämpft die Geräusche der Stadt herüber. Leise schlich sie durch den ruhig und dunkel daliegenden Hof hinüber zu den Türen unter dem Torbogen. Sie tippte den zweiten Code ein, hörte auch hier, wie die Verriegelung sich löste, schob daraufhin einen der Flügel auf und glitt hinaus in die Nacht.
    Sie blickte in beide Richtungen, entschied sich dann aber für links. Ihr Ziel war es, ein Hotel mit einem Nachtportier zu finden, der sich bereit erklären würde, die Polizei zu verständigen. Obwohl sie keine Ahnung hatte, ob sie den französischen Behörden trauen konnte, blieb ihr gar keine andere Wahl.
    Mit schnellen Schritten eilte sie die Straße hinunter, und bald traf sie auf den ersten größeren Boulevard. Den Blick in die Ferne gerichtet, hielt Sita nach einem Hotel Ausschau, doch die Straße war hauptsächlich von Läden gesäumt, die nachts alle geschlossen waren. Ein paar Taxis fuhren an ihr vorbei, dann herrschte wieder Stille.
    Sie steckte die Hände tief in die Manteltaschen und eilte den Boulevard entlang. Dabei kam sie zwar an zwei Hotels vorüber, doch die Eingänge waren verschlossen, und drinnen konnte sie niemanden entdecken. Die Kälte hüllte sie ein und stach ihr wie Nadeln in die Wangen.
    Allmählich überkam sie Verzweiflung. Die Sonne würde erst in ein paar Stunden aufgehen, und schon jetzt fühlte sie sich völlig durchgefroren. Den schwarzen Mercedes, der ihr aus der anderen Richtung entgegenkam, nahm sie zunächst gar nicht richtig wahr. Plötzlich aber dämmerte es ihr. Im selben Moment, als sie den Kopf wandte, stieg der Fahrer auf die Bremse. Sie begann zu rennen. Der schwere Mantel behinderte sie in ihrer Bewegungsfreiheit, und mit ihren rutschigen Sandalen fand sie auf dem Boden kaum Halt. Der Mercedes wendete und raste wieder die Straße entlang. Sie hörte den Wagen an sich vorbeifahren und erneut scharf abbremsen. Dmitri sprang heraus.
    Sie entdeckten den Lieferwagen der Bäckerei gleichzeitig. Langsam fuhr er auf sie zu. Keine zehn Meter von ihr entfernt war Dmitri wie angewurzelt stehen geblieben und starrte zu ihr herüber. Sita blieb ebenfalls stehen und versuchte den Fahrer des Lieferwagens durch wildes Winken auf sich aufmerksam zu machen.
    »Hilfe!«, rief sie auf Englisch. »Bitte helfen Sie mir!«
    Der Wagen bremste ab. Im Licht einer nicht weit entfernten Straßenlampe sah sie den fragenden Blick des kräftig gebauten Fahrers, der ein rundes Gesicht und lockiges Haar hatte.
    »Hilfe!«, rief sie erneut. In dem Moment kam der Wagen zum Stehen, und sie rannte zu ihm hinüber. Der Fahrer griff über den leeren Beifahrersitz und ließ das Fenster herunter. »Je peux vous aider?«, fragte er misstrauisch.
    »Ich spreche kein Französisch!«, keuchte sie atemlos.
    Durch die Fenster des Lieferwagens konnte sie zu dem schwarzen Mercedes hinübersehen, aber Dmitri war nicht in Sicht. »Bitte!«, flehte sie. »Bitte lassen Sie mich einsteigen!«
    »Français! Français!«, sagte der Fahrer, der allmählich ungeduldig wurde.
    »Non français!«, rief sie. »Bitte! Rufen Sie die Polizei!«
    Der Fahrer sah sie erschrocken an. »La police?«, fragte er und blickte sich um.

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