Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
Vom Netzwerk:
Onkel- ji den Jungen in strengem Ton, Ruhe zu geben. »Wir sind hier nicht in Indien, sondern in Amerika, also veranstalte nicht so ein Theater.«
    »Entschuldigung, Baba .« Shyam wirkte gekränkt. »Ich wollte doch nur Sita aufheitern.«
    »Sita braucht keine Aufheiterung, und wir brauchen ebenfalls keine Tanzvorführungen von dir. Setz dich hin.«
    Mit hängendem Kopf ließ sich Shyam neben Sita nieder. Als Onkel- ji sich abwandte, strich sie dem Jungen verstohlen über die Hand.
    »Denk dir nichts«, flüsterte sie ganz leise, »mir hat es gefallen.«
    Shyams Miene hellte sich auf. Nach einem Moment des Zögerns traute er sich sogar, ihre Geste zu erwidern.
    Zehn Minuten später trat ein Slawe mittleren Alters, der Wasily erstaunlich ähnlich sah, durch die gläsernen Schiebetüren in die Halle. Er blickte sich um, bis er ihr kleines Grüppchen entdeckte, und steuerte dann auf sie zu. Dabei starrte er die ganze Zeit Sita an.
    »Folgt mir«, befahl er schroff und wandte sich sofort wieder der Tür zu, ohne irgendwelche Anstalten zu machen, ihnen mit ihrem Gepäck zu helfen.
    Angeführt von Wasilys Doppelgänger verließen sie das Flughafengebäude und strebten quer über eine Fahrbahn auf einen weißen Lieferwagen zu. Nachdem sie alle vier hinten eingestiegen waren, nahm Wasilys Doppelgänger auf dem Beifahrersitz Platz. Der Fahrer war ein großer, beleibter Mann mit einem kalten Ausdruck in den Augen. Sobald alle Türen geschlossen waren, fädelte er mit dem Lieferwagen in den Verkehr ein und nahm die nächste Auffahrt auf die mautpflichtige Schnellstraße.
    Nach einer Weile fuhren sie durch einen langen Tunnel und kamen im Schatten von Wolkenkratzern wieder heraus. Erstaunt betrachtete Sita den Betondschungel der Metropole New York. In Bombay herrschte mehr Gedränge, aber New York war eine in den Himmel gebaute Stadt.
    Der Fahrer kämpfte sich durch den stockenden Verkehr, bis sie ein schäbig aussehendes Hotel erreichten, das Taj hieß. Als Wasilys Doppelgänger schließlich die Schiebetür des Lie ferwagens öffnete, kletterten Onkel- ji und Tante- ji heraus und nahmen ihr Gepäck in Empfang. Sita wollte hinter Shyam aussteigen, aber der Slawe stellte sich ihr in den Weg.
    »Du kommst mit uns«, verkündete er.
    Sita erstarrte und blickte voller Angst zu Onkel- ji hinüber, der jedoch krampfhaft einen Punkt auf dem Gehsteig fixierte. Da wusste sie plötzlich Bescheid: Ein weiterer Tauschhandel war getätigt worden. Chennai, Bombay, Paris, New York. Würde das jemals enden?
    Wasilys Doppelgänger packte sie am Arm und schob sie zurück in den Wagen.
    »Wohin bringen Sie mich?«, wandte Sita sich an ihn.
    »Keine Fragen«, bellte er, »oder ich überlasse dich Igor!«
    Der Fahrer – Igor – bedachte sie mit einem hinterhältigen Lächeln. »Alexi immer sagen Wahrheit.« Seine kehlige Stimme klang fast wie ein Knurren.
    Wasilys Doppelgänger – Alexi – sprach kurz mit Onkel- ji , woraufhin der Restaurantbesitzer ihm einen Pass reichte. Shyam, der Sita mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, begann zu protestieren.
    »Warum kommt sie nicht mit uns?«, fragte er laut. Er griff nach der Hand seines Vaters. »Bitte, Baba , lass sie nicht allein weiterfahren!«
    Onkel- ji wirkte beschämt, gab seinem Sohn jedoch keine Antwort.
    Nachdem Alexi wieder auf der Beifahrerseite eingestiegen war, gab Igor Gas. Sita sah durch die Heckscheibe zu Shyam hinaus. Der Junge winkte und rief ihr etwas nach, doch sie konnte seine Worte nicht mehr hören. Sita ließ ihn nicht aus den Augen, bis sein kleiner Körper, der gemessen an den Hochhäusern der Stadt ohnehin schon winzig wirkte, in der Ferne kaum noch zu erkennen war.
    Die Tiefe ihres Kummers überraschte sie selbst. Sie griff in ihren Sari und strich mit dem Daumen über Hanuman. Verzweifelt versuchte sie zu beten. Sie wollte weiterhin fest daran glauben, dass der Affe nicht nur ein Stück Keramik war, sondern dass der echte Hanuman irgendwo dort drau ßen nach ihr suchte.
    Schließlich wandte sie den Blick nach vorn und atmete tief durch, während Igor den Lieferwagen zurück durch den stockenden Tunnelverkehr manövrierte. Die Spätwintersonne versank gerade in einer tief hängenden Wolkendecke, und das schwächer werdende Licht warf einen Hauch von Blässe über die städtische Landschaft.
    Sie fuhren bis nach Newark hinein, wo sie kurz nach dem Flughafen die Schnellstraße verließen. Igor bog ein paarmal ab und dann in den Parkplatz eines Einkaufszentrums. Das

Weitere Kostenlose Bücher