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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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heiß ersehntes Läuten in seinem Kopf seltsam widerhallte. Dann riss er das Handy vom Bett.
    »Julia?«
    »Treffpunkt morgen früh um halb sieben am Gare Montparnasse«, verkündete sie.
    »Mit wem haben Sie gesprochen?«
    »Morgen um halb sieben. Seien Sie pünktlich.«
    Ohne ein weiteres Wort legte sie auf.

24
    Du hast mir die Freunde und Gefährten entfremdet,
mein Vertrauter ist nur noch die Finsternis.
    PSALM 88,19
    Elizabeth – New Jersey
    Irgendwann nach dem Vorfall mit Igor – Sita hatte keine Ahnung, wie viel Uhr es war – brachte Alexi ihr eine Schale Suppe, die nach nichts schmeckte, und dazu eine Schachtel Kräcker. Dabei sprach der Mann nicht mit ihr, sondern stellte das Essen einfach am Kopfende des Bettes ab. Dann zog er eine kleine Digitalkamera aus der Hosentasche und gab Sita ein Zeichen aufzustehen. Zögernd tat sie, wie ihr geheißen. Nachdem er zwei Aufnahmen von ihr gemacht hatte, ging er wieder. Sita konzentrierte sich aufs Essen und versuchte, nicht über den Grund für die Fotos nachzudenken.
    Den Rest des Tages verbrachte sie, ohne mit jemandem zu sprechen. Irgendwann schaltete sie den Fernseher an. Der Apparat erwachte zwar knisternd zum Leben, doch auf dem Bildschirm war nur Geflimmer zu sehen. Als Sita daraufhin die Tür des Schränkchens hinter dem Fernseher öffnete, fand sie dort einen ramponierten Videorecorder und einen Stapel Pornofilme. Angewidert wich sie in die hinterste Ecke des Raumes zurück und ließ sich dort nieder. Obwohl der Fernseher unangenehm vor sich hin knisterte und den Raum in ein gespenstisches Licht tauchte, brachte sie es lange nicht fertig, ihn auszuschalten.
    Wie am Vorabend tauchten irgendwann die Mädchen auf und unterhielten sich in der Sprache, die Sita nicht verstand. Mit angehaltenem Atem wartete sie darauf, dass Igor erneut eine von ihnen in den Raum zerren würde, aber die Tür blieb verschlossen. Irgendwann setzte die Musik ein. Sita ging davon aus, dass das Gedröhne auch diese Nacht endlos andauern würde. Sie legte sich aufs Bett und schloss die Augen, konnte aber wieder nicht schlafen.
    Als die Musik schließlich doch aufhörte, kroch Sita vom Bett in die Ecke. Auf dem Gang hörte sie Schritte. Die Tür schwang auf. Igor und ein Mann, den sie noch nicht kannte, zerrten ein Mädchen in den Raum. Das Mädchen widersetzte sich und wand sich hin und her, um ihnen zu entkommen, aber die beiden Männer stießen sie aufs Bett und hoben ihren Rock hoch. Sita schlug die Hände über den Kopf und betete, bis die Schreie des Mädchens in Schluchzen übergingen. Nachdem die Männer abgezogen waren, sank das Mädchen auf die Knie, den Körper gegen das Bett gelehnt.
    Als Sita daraufhin ihr Gesicht betrachtete, wurde sie von Mitleid überwältigt. Obwohl sie wusste, dass Igor irgendwann zurückkehren würde, vertraute sie auf Alexis Schutz, auch wenn ihr das selbst irgendwie falsch vorkam. Sie rutschte über den Boden auf das Mädchen zu, bis ihre Knie sich fast berührten.
    Zutiefst beschämt sah das Mädchen sie an. »Was willst du?«, flüsterte sie.
    Ohne die Frage zu beantworten, griff Sita nach ihrer Hand. Das Mädchen versteifte sich, schob sie aber nicht weg. Sita blieb lange so sitzen und versuchte dem Mädchen durch ihre Berührung Trost zu spenden. Dabei musste sie an ihre Mutter denken. Wie oft hatte Ambini neben ihrem Bett gesessen und ihre Hand gehalten, als sie noch ein kleines Mädchen war. Nun konnte sie diese Geste der Güte an einen anderen Menschen weitergeben, auch wenn es inmitten solcher Dunkelheit geschah.
    Nach einer Weile zog sie ihre Hand zurück und wischte dem Mädchen eine Träne von der Wange.
    »Ich heiße Sita«, sagte sie.
    Das Mädchen sah sie an. »Ich heiße Olga«, antwortete sie im Flüsterton. Verlegen blickte Olga auf ihre Hände hinunter. »Hast du gesehen, was sie getan haben?«
    Sita schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht hingeschaut.«
    Etwas in Olga brach sich Bahn, sie begann zu schluchzen. »Meine Familie lebt in Nowgorod«, erklärte sie in recht gutem Englisch. »Ich habe in Leningrad studiert, musste das Studium aber abbrechen, als mein Papa krank wurde. Er brauchte Geld für Medikamente. Da lernte ich einen Mann kennen. Er erzählte mir von einem Freund in New York. Er sagte, ich könnte gut als Kindermädchen arbeiten. Ich könnte Geld für Papa und alle anderen verdienen. Er war ein Lügner.«
    »Erzähl mir von deiner Familie«, sagte Sita und griff erneut nach Olgas Hand.
    Olga kam ihrer Aufforderung

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