Du bist in meiner Hand
»Lass uns darüber reden.«
»Da gibt es nichts mehr zu reden!«, entgegnete sie. »Du hast mich angelogen, was Tera betrifft, und auch, was die Kanzlei betrifft. So ziemlich alles, was du gesagt hast, war gelogen!«
»Dieses Wochenende war keine Lüge«, gab er in flehendem Ton zu bedenken.
»Dieses Wochenende war die größte Lüge von allen. Ich habe mit dir geschlafen. Ich habe angefangen, wieder an die Zukunft zu glauben. Und jetzt?« Sie schüttelte den Kopf. »Mein Vater hatte also all die Jahre recht.«
Bestürzt starrte er sie an. »Wie kannst du das nur sagen? Fellows Garden war keine Lüge. Unsere Heirat war auch keine Lüge. Und Mohini …«
»Nimm ihren Namen nicht in den Mund!«, schrie Priya mit Tränen in den Augen. »Nimm ihren Namen nicht in den Mund, du Mistkerl! Ich war diejenige, die ihr das Leben geschenkt hat. Ich war diejenige, die sich um sie gekümmert hat, während du für stolze fünfhundert Dollar die Stunde in diesem selbstverliebten Zirkus geschuftet hast, den du eine Anwaltskanzlei nennst. Ich war diejenige, die ihr beim Wachsen zugesehen hat, während du dich in Teras Schlafzimmer vergnügt hast!«
Er ballte die Fäuste. »Ich habe damals nicht mit ihr geschlafen, Priya. Ich habe dir die Wahrheit gesagt. Ich hatte nur niemanden zum Reden. Du warst ja überhaupt nicht mehr ansprechbar. Tera war für mich da, als ich jemanden zum Zuhören brauchte.«
Sie trat einen Schritt auf ihn zu und deutete mit dem Zeigefinger anklagend auf seine Brust. »Sieh mich an und sag mir, dass du nie mit Tera Atwood geschlafen hast.«
Der schuldbewusste Ausdruck in seinen Augen verriet ihn.
»Wusste ich es doch!«, wütete sie. »Ich wusste es schon die ganze Zeit. Deswegen habe ich deine E-Mails gelesen. Weil ich wusste, dass du mich anlügst.«
»Du hast meine E-Mails gelesen, weil du paranoid bist!«, machte er seinem eigenen Ärger Luft. »Ich habe erst mit ihr geschlafen, nachdem du mich verlassen hattest, um wieder heim in Daddys Arme zu eilen!«
Wutentbrannt stürzte sie sich auf ihn und schlug mit beiden Händen auf seinen Brustkorb ein. »Lass mich in Ruhe!«, stieß sie erneut hervor. »Lass mich endlich in Ruhe!«
Dann traten sie plötzlich beide einen Schritt zurück und sahen sich an.
»Das ist nur alles so schade«, sagte Thomas, der sich inzwischen wieder unter Kontrolle hatte, »weil ich dich nämlich wirklich liebe, Priya. Ich habe Fehler gemacht, aber ich bin mit guten Absichten hergekommen. Ich wollte nicht so weitermachen wie vorher. Tera hat mir diese E-Mail nur geschrieben, weil sie den Schlussstrich, den ich gezogen habe, nicht akzeptieren will. Ich kann sie nicht daran hindern, sich weiter Hoffnungen zu machen, und ich kann sie auch nicht wegzaubern, aber im Moment befindet sie sich auf der anderen Seite der Erde, und ich bin hier mit dir auf Goa. So glücklich wie dieses Wochenende war ich schon seit Jahren nicht mehr. Ich wünsche mir nichts sehnlicher als die Zukunft, über die wir gesprochen haben. Aber ich schätze mal, das ist für dich jetzt nicht mehr gut genug.«
Priya blickte aufs Meer hinaus. Thomas sah ihr an, dass seine Liebeserklärung durch ihren Panzer gedrungen war. Trotzdem war sie nicht bereit nachzugeben.
»Du bist so von dir eingenommen, Thomas Clarke!«, er klärte sie giftig. »Für dich ist eine Entschuldigung nicht mehr als ein Eingeständnis, dass du nicht ganz perfekt bist. Du widerst mich an!«
»Du willst also, dass ich aus Indien verschwinde?«, fragte er und breitete dabei die Arme aus.
Sie schüttelte traurig den Kopf. »Das ist mir egal. Ich weiß nur, dass ich dich nicht mehr sehen will.«
Er blieb vor ihr stehen, bis er ganz sicher war, dass sie ihre Meinung nicht ändern würde.
»Du hast gewonnen.« Mit diesen Worten drehte er sich um und ging zurück in Richtung Bungalow. Erst jetzt wurde ihm das Ausmaß dessen, was geschehen war, mit aller Macht bewusst.
»Du gewinnst immer«, flüsterte er so leise, dass nur er es hören konnte.
28
Kein Ruf von ihnen dringt zur Welt hinüber,
Gerechtigkeit missachtet sie und Gnade.
Sprich nicht von ihnen! Schau und geh vorüber!
DANTE
Harrisburg – Pennsylvania
Sita döste die ganze Nacht nur unruhig vor sich hin. Jedes Mal, wenn das Mädchen neben ihr die Füße bewegte, wachte sie auf. Sie wusste nicht, wie viele Stunden vergangen waren, bis die fette Frau die Tür ihres Kellerverlieses schließlich wieder öffnete – wenn auch nur, um ihnen eine Tüte mit Äpfeln und einen Krug
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