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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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Wasser hineinzureichen, ehe sie die Tür wieder schloss. Genau wie um die Schlafplätze rauften die Mädchen auch um das Essen. Obwohl Sita der Magen knurrte, wollte sie sich an diesem Gerangel nicht beteiligen. Stattdessen zog sie sich still in ihre Ecke zurück – in der Hoffnung, dass eines der Mädchen so viel Herz besaß, mit ihr zu teilen, was jedoch keines tat.
    Wieder verging eine ganze Weile. Die Mädchen sprachen nur miteinander, wenn es sich nicht vermeiden ließ, und auch dann nur, um irgendwelche Klagen zu äußern. Sita hätte gern gefragt, ob sie wussten, wo sie sich befanden, traute sich aber nicht, das Wort zu ergreifen. Irgendwann kehrte die Frau zurück und gestattete ihnen, ein schmutziges, unter die Kellertreppe hineingebautes Bad zu benutzen. Die Spülung funktionierte nicht, und die Schüssel war fast schon voll. Sita hielt sich die Nase zu und verrichtete ihr Geschäft in der Hoffnung, die widerliche Mischung in der Schüssel dadurch nicht zum Überlaufen zu bringen.
    Das Licht im Keller gab ihr Gelegenheit, sich ihre Lei densgefährtinnen ein wenig genauer anzusehen. Es handelte sich um vier schwarze und drei weiße Mädchen. Einige von ihnen waren recht hübsch, aber keine sah besonders gesund aus. Sita schätzte, dass die Jüngste – ein zerbrechlich wirkendes Kind mit blasser Haut und strähnigem rotem Haar – erst dreizehn war und die Älteste – die in der Nacht mit so energischer Stimme gesprochen hatte – höchstens achtzehn.
    Nachdem das rothaarige Mädchen ebenfalls auf der Toilette gewesen war, kam der fette Mann die Treppe herunter, packte sie am Arm und trat mit ihr im Schlepptau den Rückweg nach oben an. Das Mädchen folgte ihm gehorsam, wenn auch mit hängendem Kopf. Währenddessen funkelte die Frau die übrigen Mädchen wütend an. Als eine von ihnen ihr Gewicht verlagerte und dabei ein wenig mit den Füßen scharrte, drehte sich die Frau zu ihr um und verpasste ihr eine Ohrfeige.
    »Ich hab doch gar nichts gesagt!«, rief das Mädchen und hielt sich die Wange.
    »Keine Widerrede, du Miststück!«, kreischte die Frau, während sie mit beiden Händen auf das Mädchen einschlug, bis ihr die Luft ausging. Heftig keuchend ließ sie sich auf der Treppe nieder und wartete auf die Rückkehr der Rothaarigen. Als sie schließlich die Treppe herunterkam, bewegte sie sich sehr langsam und starrte beschämt zu Boden. Nachdem sie sich in den hintersten Winkel des Kellerraums zurückgezogen hatte, schlug sie die Hände vors Gesicht.
    »Rein mit euch, verdammt noch mal!«, schrie die Frau und scheuchte auch die restlichen Mädchen zurück in den Raum. Sita ließ sich neben dem rothaarigen Mädchen nieder. Währenddessen schloss die Frau die Tür wieder ab, sodass sie erneut im Dunkeln saßen. Sita legte einen Arm um das Mädchen und drückte es an sich. Das Mädchen weinte eine ganze Weile vor sich hin.
    Als es sich schließlich wieder beruhigt hatte, legte es eine Hand auf die von Sita und ließ sie dort.
    Später ging die Tür ein weiteres Mal auf, und die Frau führte die Mädchen die Treppe hinauf. Oben am Treppenabsatz erwartete sie der fette Mann, und draußen am Lieferwagen der Kettenraucher. Die Mädchen kletterten in den Wagen. Sita hatte keine Ahnung, wie spät es war. Auf jeden Fall war es draußen bereits dunkel. Der fette Mann murmelte zum Kettenraucher irgendetwas darüber, dass sie die ganze Nacht durchfahren müssten. Während Sita den Blick über die Gesichter der anderen Mädchen schweifen ließ, fragte sie sich, ob sie ihr Ziel kannten.
    Die Älteste sagte: »Auf ein Neues.«
    Der Motor sprang an, und der Kettenraucher zog die Tür zu. Das rothaarige Mädchen saß neben Sita und hielt ihre Hand. Ermutigt durch diesen Freundschaftsbeweis, begann Sita ihr Fragen zu stellen. Dabei sprach sie nur so laut, dass ihre Nachbarin sie über das Motorengeräusch hinweg verstehen konnte.
    Sie erfuhr, dass das Mädchen Elsie hieß, fünfzehn Jahre alt war – nicht dreizehn, wie Sita angenommen hatte – und aus einer Kleinstadt stammte, die in den Bergen westlich von Pittsburgh lag. Ihre Geschichte klang wie ein Albtraum: Ihr Stiefvater hatte sie jahrelang mit Wissen ihrer Mutter missbraucht. Als er anfing, auch ihre jüngere Schwester zu belästigen, drohte Elsie damit, zur Polizei zu gehen, woraufhin ihr Vater mit einem Messer vor ihrem Gesicht herumfuchtelte und sagte, er werde sie abstechen, wenn sie jemandem auch nur ein Wort darüber erzähle. Am nächsten Tag lief sie

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