Du bist in meiner Hand
Woche, die in Sitas Rettung gegipfelt hatte, und bat ihn dann um eine Information und einen Gefallen. Als Jeff Greer sich von dem freudigen Schock erholt hatte, begann er auf seinem Schreibtisch herumzustöbern, während Thomas ihm seine Idee unterbreitete.
»Hier ist sie ja«, verkündete Jeff schließlich, nachdem er ein paar Stapel mit Unterlagen hin und her geschoben hatte. Er gab Thomas die Nummer durch und versprach, alles Erforderliche in die Wege zu leiten.
»Ich kann immer noch nicht fassen, dass du es tatsächlich geschafft hast«, fügte er hinzu. »Ehrlich gesagt, hatte ich nicht die geringsten Chancen gesehen.«
Nach dem Gespräch mit Jeff tippte Thomas die Nummer von Andheri und ließ das Telefon endlos läuten. Als er gerade auflegen wollte, meldete sich eine verzerrte Stimme: »Hallo?« Trotz der schlechten Verbindung war er sich ziemlich sicher, dass es sich um die Stimme von Schwester Ruth handelte. Bemüht, langsam und deutlich zu sprechen, teilte er ihr die Neuigkeit mit. Als er fertig war, schwieg die Nonne so lange, dass er schon dachte, die Verbindung wäre zusammengebrochen. Dann hörte er plötzlich ein Murmeln – kaum mehr als ein leises Echo von Kontinent zu Kontinent –, das wie ein Gebet klang.
»Schwester Ruth?«, fragte Thomas. »Richten Sie Ahalya meine Nachricht aus?«
»Ja«, hörte er sie sagen. In der Leitung rauschte und knackte es, aber er konnte sich ihre Worte dennoch zusammenreimen. »Ich weiß gar nicht … wie ich Ihnen … danken soll.«
»Sagen Sie ihr, dass sie sich gedulden muss«, erklärte er. »Die ganze Prozedur kann noch eine Weile dauern.«
Mit diesen Worten legte Thomas auf und fuhr zum Flughafen.
Auf der anderen Seite der Nacht erwachte Ahalya in einem fiebrigen Zustand. Ihre Stirn war nass, ihr Nachthemd schweißgetränkt, und in ihrem Gedächtnis glühten noch ein paar Bruchstücke ihres Traumes nach. Benommen blickte sie sich in dem kleinen Schlafzimmer um, das sie sich mit drei anderen Mädchen teilte. Keine von ihnen rührte sich. Im Haus herrschte noch vollkommene Stille. Ahalyas Blick wanderte zum Fenster. Der graublaue Himmel ließ bereits den nahenden Morgen erahnen. Sie atmete langsam ein und aus, um ihr wild schlagendes Herz zu beruhigen. Die Vision hatte so schmerzhaft real gewirkt. Ahalya konnte gar nicht glauben, dass sie sich von einem Trugbild hatte narren lassen.
Sie schlich in den Gemeinschaftsbereich hinaus. Es war Samstag und so früh noch niemand unterwegs. Ahalya ging zwar davon aus, dass Schwester Ruth um diese Zeit nicht mehr schlief, aber da die Nonne anderswo übernachtete, tauchte sie für gewöhnlich nicht vor halb acht im Haus auf. Ahalya bewegte sich so leise wie möglich und wich allen Stolpermöglichkeiten aus. Rein theoretisch durfte sie das Haus nicht ohne Erlaubnis der Schwestern verlassen, aber die Regel wurde nur dann streng eingehalten, wenn bei einem Mädchen Fluchtgefahr bestand.
Sie lief die Haustreppe hinunter und steuerte auf das Wäldchen mit den hohen Bäumen zu. In den Ästen zirpten ein paar Zikaden, und gelegentlich ertönte der Ruf eines Vogels. Der Pfad vor ihr war menschenleer und noch in Schatten gehüllt.
Als sie sich dem Teich näherte, verlangsamte sie ihr Tempo und ließ ihren Traum im Geiste Revue passieren. Sita war dort am Teich gewesen. Sie hatte auf der Bank gesessen und irgendetwas im Wasser bewundert. Als sie Ahalya kommen sah, war sie freudestrahlend aufgesprungen und hatte ihre Schwester zur Eile angetrieben. Ahalya hatte ihre Hand genommen und mit ihr auf den Teich hinuntergeblickt, wo sie zwischen den Blättern eine Lotusknospe entdeckt hatte – eine Blüte, die sich bald öffnen würde.
Nun näherte Ahalya sich dem Teich mit zögernden Schritten. An diesem windstillen Morgen war die Wasseroberfläche glatt wie Glas. Während Ahalya am Teichrand in die Knie ging, wuchs ihr Schmerz mit jeder Sekunde. Sie konnte nichts sehen. Angestrengt kniff sie die Augen zusammen. Vielleicht musste sie nach etwas Kleinerem Ausschau halten als in ihrem Traum.
Vielleicht …
Plötzlich wurde ihr schwindelig. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, stützte sie sich auf einen Felsblock, der neben dem Teich aufragte. An die Schwangerschaft wollte sie jetzt nicht denken. Ihr Wunsch war ganz schlicht und in seiner Schlichtheit rein: Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als eine Knospe zu finden.
Erneut versuchte sie, zwischen den Blättern irgendeine Art von Ausbuchtung zu erkennen, wurde jedoch
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