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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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vielleicht ausgesehen hätte, und schauderte. Was hätte er getan, wenn das seiner Tochter passiert wäre?
    Er blickte sich nach dem Gedichtband um, den seine Mutter ihm mitgegeben hatte, und entdeckte ihn auf dem Tischchen neben dem Telefon. Er holte sich das Buch und kehrte damit auf die Couch zurück. Ohne so recht zu wissen warum, las er noch einmal das Gedicht »Vergänglichkeit«. Dieses Mal sprach ihn eine der Strophen an:
    Nein, klage nicht, mag auch dein Leben dunkel sein vor Kummer,
    Die Zeit steht weder still, noch wird sie langsamer vergehen;
    Erscheint das Heut’ dir noch so lang, so fremd, so bitter,
    Ist es doch bald schon gestern, längst vergessenes Geschehen.
    Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. In dem Moment begriff er, in was für einem dunklen Loch er sich verkrochen hatte, und mit ebensolcher Klarheit sah er, dass es nur einen einzigen Weg zurück ins Licht gab. Es musste sich etwas ändern. Er brauchte eine neue Perspektive. Er wusste selbst nicht genau, wie diese aussehen würde, aber so wie jetzt konnte es nicht bleiben.
    Wenn er nichts unternahm, würde er jeden Tag ein kleines Stück mehr sterben.

3
    Jedes Wesen fasst in sich selbst
die ganze geistige Welt.
    PLOTIN
    Chennai – Indien
    Ahalya erwachte in einem Nebel aus verschwommenen Eindrücken. Sie hatte von dem Schlafmittel einen Brummschädel und wusste nicht gleich, wo sie sich befand. Einen kostbaren Moment lang kam es ihr vor, als würden sie und Sita zu Hause im Bett liegen und ihre Eltern unten warten, um sie mit Küssen und den Neuigkeiten des Tages zu begrüßen. Nur ganz langsam dämmerte ihr das Grauen ihrer tatsächlichen Situation.
    Sita schlief in ihren Armen, den Rücken dicht an sie geschmiegt, wie sie es früher auch so oft getan hatte. Das Bett jedoch fühlte sich fremd und klumpig an, und an den Wänden fehlten die Teppiche, die sie in ihrem eigenen Schlafzimmer mithilfe ihrer Mutter aufgehängt hatten. Als nun plötzlich eine Frau in Ahalyas Gesichtsfeld auftauchte, tat ihr Herz einen Satz. Das Gesicht der Frau lag im Schatten, aber ihre Figur war nicht die von Ambini.
    »Zeit, aufzustehen«, verkündete Chakos Frau kurz angebunden. »Ihr müsst den Zug erwischen.«
    Sita erwachte in Ahalyas Armen. Beide Mädchen setzten sich auf. Der digitale Wecker auf dem Nachttisch zeigte 5:40 Uhr.
    »Welchen Zug?«, fragte Ahalya.
    »Das seht ihr dann schon.«
    An der Tür drehte Chakos Frau sich noch einmal um. »Übrigens bin ich hinter deine kleine List mit dem Handy gekommen. Versteck nie wieder etwas vor uns, oder deine Schwester wird dafür büßen.«
    Unwillkürlich fasste sich Ahalya an die Taille. Ihr stockte der Atem. Das Handy war weg.
    »Wohin bringt ihr uns?« Sie bemühte sich, tapfer zu klingen.
    »Keine Fragen mehr!«, fauchte die Frau. »Das Frühstück steht auf dem Tisch. Ihr habt eine Viertelstunde Zeit zum Essen. Um sechs kommen Prakash und Vetri und bringen euch zum Zug.«
    Die Schwestern begaben sich an den Tisch, wo sie auf einem Teller zwei klebrige Idli-Kuchen und zwei Dosa-Crêpes vorfanden, dazu zwei Tassen mit Wasser. Das Ganze hatte die Bezeichnung Frühstück kaum verdient. Ahalya behauptete, keinen Hunger zu haben, und ermunterte ihre Schwester, alles allein aufzuessen. Nachdem Sita sie einen Moment eindringlich gemustert hatte, lehnte sie den zweiten Idli-Kuchen ab. Ahalya verspeiste ihn dankbar.
    Prakash und Vetri erschienen zur vereinbarten Zeit. Um Punkt sechs klopften sie an der Tür, und Chako machte ihnen auf. Der junge Mann – Vetri – nickte den Mädchen kurz zu. Weder Chako noch seine Frau sprachen mit ihnen, während sie die Wohnung verließen.
    Die schäbige Siedlung lag still in der Dunkelheit, als Ahalya und Sita auf die Straße traten. Hier und dort schlief im Schatten eines Hauseingangs ein herrenloser Hund, doch ansonsten wirkte die Gegend verlassen. Der fette Mann – Prakash – erwartete die Mädchen neben einem silberfarbenen Geländewagen, der in der heruntergekommenen Gegend richtig auffiel. Die Arme vor der Brust verschränkt, musterte er die beiden abschätzend.
    »Caril utkarungal«, sagte er, während er ihnen eine der hinteren Türen aufhielt. »Steigt ein.«
    Sita tat, wie ihr geheißen, und Ahalya folgte ihrem Beispiel. Der Neuwagengeruch des Fahrzeugs erinnerte Ahalya an den Land Rover ihres Vaters. Rasch schüttelte sie die Erinnerung ab und griff nach Sitas Hand.
    »Geht es dir gut?«, fragte sie auf Englisch, weil sie hoffte, dass die Männer das

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