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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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nicht verstanden.
    »Sprecht Tamil!«, blaffte Prakash, der auf der Fahrerseite einstieg.
    »Es geht schon«, flüsterte Sita, während sie den Kopf auf Ahalyas Schulter bettete.
    Nachdem Vetri sich auf den Beifahrersitz geschwungen hatte, brauste Prakash los. Sie verließen das Viertel und fuhren Richtung Küste. Zu dieser frühen Stunde war auf den Straßen der Stadt noch kaum etwas los. Ein paar Minuten später bog Prakash auf den Parkplatz am Hauptbahnhof von Chennai ein. Vetri sprang aus dem Wagen und verschwand in der Menge der Reisenden, die auf die Frühzüge warteten. Prakash betrachtete die Mädchen im Rückspiegel und verriegelte die Türen.
    »Wohin fahren wir?«, erkundigte sich Ahalya.
    »Keine Fragen!«, grunzte Prakash.
    Vetri kehrte bald mit einer Handvoll Papiere zurück. Er überreichte sie Prakash, der sie in Augenschein nahm und zufrieden nickte. Dann drehte er sich zu den Mädchen um.
    »Die Fahrkarten sind in Ordnung. Vetri begleitet euch, zusammen mit Amar, den ihr gleich kennenlernen werdet. Tut, was die beiden sagen, ohne Fragen zu stellen. Sprecht mit niemandem, denn das hätte schlimme Folgen für euch. Und kommt gar nicht erst auf die Idee, euch an die Polizei zu wenden. Der stellvertretende Polizeichef ist ein Freund von mir.«
    Die Schwestern stiegen aus und folgten den beiden Männern durch die Menge. Nachdem sie den Bahnhof betreten hatten, stiegen sie hinter Prakash die Stufen zu einer Fußgängerbrücke hinauf, die über die Gleise führte. Sie gingen zu Gleis vier hinüber und die Treppe zum Bahnsteig hinab, wo der Zug bereits wartete. Er bestand aus so vielen Waggons, dass Ahalya sie in dem schwachen Licht gar nicht zählen konnte. Sie hielt nach dem Namen des Zuges Ausschau. Auf einem Schild stand »Chennai Express«. Sie hatte noch nie von ihm gehört.
    Prakash befahl den Mädchen, sich mit Vetri in eine Nische am Fuß der Treppe zu stellen, und ließ sie kurz allein. Als er zurückkehrte, hatte er einen weiteren Mann im Schlepptau. Der Fremde war klein, hatte schwarzes Haar, ein ausgeprägtes Kinn und die helle Hautfarbe eines Nordinders. Nachdem er die Mädchen von Kopf bis Fuß gemustert hatte, wandte er sich mit einem Lächeln an Prakash.
    »Gut gemacht, mein Freund«, sagte er auf Tamil. Sein starker Akzent bestätigte Ahalya, dass er nicht aus Chennai stammte.
    »Ich dachte mir schon, dass sie dir gefallen werden.«
    Der Mann reichte Prakash eine schwarze Tasche. »Zwölftausend Rupien, pro Nase sechstausend. Das sind zweitausend mehr als normal.«
    Prakash verzog den Mund. »Ich hatte fünfzehn verlangt.«
    »Dreizehntausend, mehr gibt es nicht«, erwiderte der Mann, während er zwei Fünfhundertrupienscheine aus der Hosentasche zog.
    Prakash nickte, nahm das Geld entgegen und verschwand ohne ein weiteres Wort.
    Der Mann stellte sich den Schwestern vor. »Mein Name ist Amar. Vetri arbeitet für mich. Er wird mit euch reisen. Ihr habt eine lange Fahrt vor euch, und der Zug wird überfüllt sein. Verhaltet euch normal, ermutigt aber niemanden zu einem Gespräch. Wenn eine von euch beiden nicht gehorcht, muss die andere dafür büßen.«
    »Wohin bringt ihr uns?«, fragte Ahalya erneut. Sie hatte Geschichten über Männer aus den Städten gehört, die Frauen von ihren Familien weglockten, um sie für wenig oder gar keinen Lohn niedere Arbeiten verrichten zu lassen. Die Vorstellung, sich in einer fernen Stadt Tag und Nacht für einen Fremden abzurackern, jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
    Amar kniff die Augen zusammen. »Das merkt ihr noch früh genug.« Er wechselte einen Blick mit Vetri und deutete den Bahnsteig entlang. »Bring sie zu ihren Plätzen.«
    Vetri nickte und führte die Schwestern zu einem Waggon im hinteren Teil des Zuges. Als sie einstiegen, stellten sie fest, dass die meisten Sitzplätze bereits besetzt waren. Vetri lotste sie in ein Abteil, das etwa auf halber Höhe des Waggons lag. Auf einer der Bänke saß eine alte Frau. Sie bedachte Ahalya mit einem runzligen Lächeln, sagte aber nichts. Neben ihr döste ein beleibter Mann mittleren Alters vor sich hin. Die Bank bog sich unter seinem Gewicht, und zwischen seinen Beinen klemmte ein Koffer.
    Obwohl es ein kühler Morgen war, erwärmte sich der Waggon bereits von der Hitze der Körper, und ein stechender Schweißgeruch hing in der Luft. Im vorderen Teil des Waggons weinte ein Baby, und im Abteil hinter ihnen waren zwei Männer in ein lautes Gespräch über die tamilische Politik vertieft.
    Ahalya

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