Du bist mein Stern
Premiere.
»Du weißt schon, die rote, glitzernde, die du zur Premiere von Wie-hieß-sie-noch-Gleich getragen hast?«, fährt er fort, als ich nicht reagiere.
»Ja, ich weiß, von welcher Halskette du sprichst. Ja, sie hat sie mir geschenkt.«
Der Moderator im Radio plaudert gerade von einem Gewinnspiel um Eintrittskarten zu Johnnys Party heute Abend. Bill hatte sicher noch keine Zeit, die Presse zu informieren, und erwartet außerdem bestimmt immer noch, dass wir umkehren und zurückkommen.
Johnny streckt die Hand aus und schaltet das Radio ab.
»Sorry, aber das brauch ich jetzt nicht.«
Danach schweigt er.
Je weiter wir uns von London entfernen, desto unsicherer werde ich. Was, wenn Bill recht hat? Setze ich Johnnys Karriere aufs Spiel, indem ich ihn einfach so wegbringe? Was wird seine Plattenfirma von mir denken? Was zum Teufel tue ich hier eigentlich? Wofür halte ich mich? Ich bin nur eine P. A. aus einem Architekturbüro, verdammt. Was verstehe ich schon von all dem hier?
Ich sehe zu Johnny rüber. Er zuckt im Schlaf. Ich konzentriere mich wieder auf den Verkehr.
Es ist Heiligabend, und Scarborough wirkt wie eine Geisterstadt. Alle Lichter der Strandpromenade sind ausgeschaltet, und es liegt eine gespenstische Stille über dem Ort. Ich fange an, mich davor zu fürchten, das früher so warme und freundliche Haus meiner Großmutter zu betreten.
Ich biege nach links in die engen Straßen ein, die sich zum Schloss hochwinden. Parken ist hier der reinste Alptraum. Wir müssen wahrscheinlich ein kleines Stück laufen. Es ist ein stürmischer Abend, aber zum Glück regnet es nicht, und wir haben nicht viel Gepäck. Ich hab nur das Allernötigste für uns eingepackt, und Johnny hat seine Gitarre mitgebracht. Ich nehme an, die gehört für ihn zum Nötigsten. Das Hotel bewahrt unsere restlichen Sachen auf.
Wir erreichen Omas Haus. Beim Anblick der dunklen Fenster werde ich ganz traurig. Ich hole die Schlüssel bei den Nachbarn ab und nehme ihre Beileidsbekundungen entgegen. Johnny wartet vor der Tür.
Das Haus ist noch voll mit Omas Sachen. Mum und Dad hatten noch keine Gelegenheit, herzukommen und alles zu sortieren. Es ist merkwürdig, ihre geliebten gerahmten Fotos über dem Kamin hängen zu sehen, die ihre eigene Geschichte von meiner Familie und deren Vergangenheit erzählen.
»Soll ich dir dein Zimmer zeigen?«, frage ich und versuche, den Kloß in meinem Hals runterzuschlucken.
»Klar, gern.«
Wir behalten unsere Mäntel erst mal an, weil es im Haus so kalt ist. Johnny folgt mir über die schmale Treppe nach oben. Oma hatte eigentlich drei Schlafzimmer, aber ein Zimmer ist mehr so eine Art Rumpelkammer, so dass es praktisch doch nur zwei sind. Ich bin mir nicht sicher, wie ich es finde, in ihrem Bett zu schlafen, denn mein erster Impuls ist es, Johnny das Gästezimmer zu geben. Aber dann fällt mir ein, dass er eigentlich das größere Zimmer bekommen sollte.
»Ist das okay für dich?«, frage ich angesichts von Omas schmalem Doppelbett. Ihre dunkelgrüne Tagesdecke liegt noch immer darauf, allerdings ist es nicht so perfekt gemacht wie zu ihren Lebzeiten. Ich versuche, meine Trauer zu unterdrücken. »Tut mir leid, ich weiß, das ist nicht gerade das, woran du gewöhnt bist … «
»Ist schon in Ordnung«, antwortet Johnny und lehnt seine Gitarre an Omas hölzernen Schubladenschrank.
»Die Heizung wird gleich warm«, versichere ich ihm.
»Meg, es ist alles gut.«
»Willst du ein bisschen fernsehen? Ich fasse es nicht, dass heute Heiligabend ist. Du etwa?« Ich bemühe mich, unbeschwert zu klingen.
»Ich komme gleich runter«, sagt er.
Ein paar Minuten später steckt er seinen Kopf zur Tür rein.
»Ich geh ein bisschen raus.«
»Warum? Wo willst du hin?« Erschrocken setze ich mich auf.
»Ich geh mal eben in den Pub.«
»Johnny, was soll das heißen? Du hast gesagt, du trinkst nichts!«
»Bleib ganz ruhig, Nutmeg. Ich werd nichts trinken. Ich hol mir nur ein paar Kippen.«
»Okay«, sage ich zögernd.
»Ich hab nie gesagt, dass ich mit dem Rauchen aufhöre«, betont er.
»Nein, ich weiß. Aber vielleicht komme ich besser mit?« Ich will aufstehen. »Oder soll ich losziehen und dir welche holen?«
»Nein, ist schon gut. Ich bin gleich wieder da.«
»Johnny, ich finde, ich sollte besser mitkommen. Ich möchte wirklich nicht, dass dir ein Ausrutscher passiert.« Ich sitze inzwischen ganz vorne auf der Sofakante.
»Nein, Meg«, sagt er entschieden. »Wenn das hier funktionieren
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