Du bist mein Stern
soll, dann musst du mir schon vertrauen. Ich bin in zehn Minuten zurück.«
Die Tür knallt hinter ihm zu, und ich lasse mich wieder aufs Sofa fallen. Aber ich kann mich nicht konzentrieren. Ich bin nervös. Wenn ihm hier irgendwas zustößt, bin ich ganz auf mich allein gestellt. Dieser Gedanke macht mir Angst.
Eine halbe Stunde später ist er immer noch nicht wieder da, und ich werde langsam verrückt vor Sorge. Ich versuche mir einzureden, dass alles okay ist, dass bestimmt kaum was auf ist und er Schwierigkeiten hat, Zigaretten zu bekommen, aber das hilft auch nicht sonderlich.
Es vergeht noch eine halbe Stunde. Wo ist er? Vielleicht hat er sich ja verlaufen.
Aber Scarborough ist keine Kleinstadt. Wenn ich jetzt rausgehe, kann es gut sein, dass ich stundenlang suchen muss. Und womöglich finde ich ihn überhaupt nicht. O mein Gott, was ist, wenn er von einer Klippe ins Meer stürzt? Ich hab Johnny Jefferson umgebracht! Das würde jedenfalls Bill behaupten. Und ich würde für den Rest meines Lebens von wahnsinnigen Fans verfolgt! Ich muss was unternehmen.
Ich stehe auf und ziehe mir den Mantel wieder an, den ich eben erst ausgezogen habe. Dann schnappe ich mir meine Handtasche und Omas Schlüssel und gehe zur Tür. Doch ich halte inne, kurz bevor ich das Haus tatsächlich verlasse.
Was ist, wenn er nur spazieren geht? Was, wenn er zurücckommt, während ich weg bin? Dann kann er nicht ins Haus. Auf die Art treibe ich ihn wahrscheinlich erst recht zum Trinken. Er würde irgendwo hingehen müssen, wo es warm ist, zum Beispiel … in einen Pub. Verdammt.
Ich gehe zurück und bleibe noch eine Stunde auf dem Sofa sitzen. Allmählich glaub ich, dass ich gar keine andere Wahl hab, als ihn suchen zu gehen. Ich kann ja schlecht alle Pubs und Bars anrufen. Denn was soll ich sagen? »Entschuldigung, sagen Sie, Johnny Jefferson – Sie wissen schon, der internationale Rockstar und Multimillionär, der gerade nicht auf der Abschlussparty seiner eigenen Tournee aufgetaucht ist – genau, der –, liegt der zufällig bei Ihnen irgendwo in der Ecke? Nein? Ach so, macht nichts, dann versuch ich’s halt im nächsten Pub.«
So würde ich
garantiert
keine Aufmerksamkeit auf uns lenken.
Mir bleibt nichts anderes übrig. Ich muss rausgehen und selbst nach ihm suchen.
Die Nacht ist so dunkel und kalt, und meine Hände fühlen sich an, als würden sie mir abfrieren, denn ich habe meine Handschuhe in Omas Gästezimmer liegen lassen. Aber ich bin zu unruhig, um zurückzugehen und stecke meine Hände in die Manteltaschen, während ich durch die engen Straßen in Richtung Strand laufe. Ich bin sicher, dass ich da unten einen offenen Pub gesehen habe, und wenn ich ihn gesehen habe, dann hat Johnny das auch. So viel zum Thema Vertrauen.
Im ersten Pub ist er nicht, also frage ich den Wirt, ob noch ein anderer auf hat. Er reagiert verstimmt, weil er glaubt, mir wäre sein Pub nicht gut genug. Deshalb erkläre ich ihm, dass ich jemanden suche. Im nächsten Pub gibt es auch keine Spur von Johnny, und nachdem ich noch mal meine Geschichte erzählt habe, ziehe ich in der Hoffnung weiter, dass ich beim dritten Anlauf mehr Glück habe. Ich bin sauer auf Johnny, weil ich seinetwegen ganz allein durch all diese Pubs ziehen und mich von zwielichtigen alten Männern anglotzen lassen muss. Plötzlich fällt mir ein, dass ich gar nicht auf den Männertoiletten nachgesehen habe. Die Vorstellung, dass er bestimmt genau da ist, trifft mich wie ein Schlag: Er kniet vor einer Kloschüssel oder liegt in seinem eigenen Erbrochenen. O Gott, muss ich jetzt wirklich in den ersten Pub zurück und den Wirt bitten, für mich nachzugucken?
Entsetzen erfüllt mich. Ich sehe mir jetzt noch diesen einen Pub an und gehe dann die ganze Strecke noch mal zurück.
Ich trete in den dunklen, schäbigen Schankraum. Die Decke ist gelb verfärbt vom jahrelangen Zigarettenrauch, und der rot und schwarz gemusterte Teppich fühlt sich ganz durchweicht an unter meinen Füßen. Während ich mich in dem Raum umsehe, fühle ich fünf Augenpaare auf mir.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragt der Wirt.
»Nein, danke«, antworte ich und bin mir nur allzu bewusst, dass ich hier absolut nicht hinpasse. »Ich suche nur jemanden.«
Johnny ist nicht da. Ich gehe durch eine Hintertür in den zweiten Raum. Auch der ist leer. Ich bin kurz davor, aufzugeben und in den ersten Pub zurückzugehen, als mich der Wirt wieder anspricht.
»Ich glaub, ich weiß, wen Sie suchen.« Die alten Typen,
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