Du bist mein Stern
sie, gib sie … « Er lockt mich mit gekrümmten Fingern in seine Richtung.
»Wie, hast du etwa schon keine mehr?«, frage ich, ziehe eine Schublade auf und nehme ein Päckchen raus.
»Fast keine.«
Er nimmt mir das Päckchen und die Streichhölzer ab und steckt sich mit zitternden Händen eine Kippe an. Dann macht er das Fenster über der Spüle auf und lässt die Hand mit der Zigarette nach draußen hängen. Er holt den Glimmstängel für einen Moment rein, zieht dran, und lehnt sich über die Arbeitsfläche, um den Rauch aus dem Fenster zu pusten. Er lässt die ganze kalte Luft rein, aber ich weiß zu schätzen, dass er versucht, drinnen nicht zu rauchen.
»Lass uns doch spazieren gehen«, schlage ich vor. Ich will unbedingt mal aus dem Haus.
Er schüttelt sich. »Ist aber verdammt kalt, oder?«
»Das wird dir guttun.«
Er wirft die Zigarette aus dem Fenster und macht es dann wieder zu.
»Ich hab dir ein paar Zeitschriften mitgebracht«, teile ich ihm mit.
»Was für welche?«
»Ach, einen ganzen Stapel.«
Er folgt mir ins Wohnzimmer und geht sie durch. »Cool, danke.«
»Gerne.« Ich lächele ihn an. »Können wir jetzt spazieren gehen?«
Er reißt seine Augen von einem Artikel über die Hit-Singles des Jahres los und sieht zu mir hoch. »Ist dir langweilig?«
»Kann schon sein.« Ich verschränke meine Arme.
»Na gut, dann los!« Er lässt die Zeitschriften lässig aufs Sofa fallen. »Ich hol nur meine Schuhe.«
Gestern habe ich in dem Schrank unter der Treppe zwei alte Mäntel gefunden. Die hole ich jetzt raus und gebe Johnny einen davon, als er zurückkommt.
»Nee, da kriegst du mich nicht rein.«
»Aber in deiner Lederjacke wird’s dir nicht warm genug sein«, warne ich ihn und halte ihm den Mantel hin. »Zieh den wenigstens drüber.«
»Nutmeg, das ist ein Exhibitionisten-Trenchcoat, so was kann ich nicht tragen.«
»Tja. Ich zieh meine Sachen jedenfalls an.« Es ist eine riesige Stepp-Skijacke in Pink und Grün mit signalgelben Streifen drauf.
»O Gott, deine ist ja noch schlimmer!«, sagt er.
Ich ignoriere ihn und werfe seinen Mantel auf den Tisch, um mich in meine aufgeplusterten Ärmel zu zwängen. Dann drehe ich mich zu ihm und sage scherzhaft: »Mmmh, echt kuschelig warm!«
Er lacht. »Du siehst total beknackt aus.« Dann fügt er hinzu: »Ach, scheiß drauf!«, und zieht seinen Mantel an.
Ich muss lachen. Ein schönes Gefühl nach einer so trübsinnigen Woche.
Er zeigt mit dem Finger auf mich. »Pass bloß auf!«
Es scheint ihm viel besser zu gehen, und der Gedanke, dass es richtig war, ihn hierherzubringen, macht mich froh.
Wir gehen aus dem Haus und überqueren die Brücke. Jetzt im Winter fließt das Wasser viel schneller. Mir fällt wieder ein, wie mein Dad und ich kleine Schiffchen aus Papier gefaltet haben, die wir dann auf dem Bach um die Wette haben schwimmen lassen. Ich erzähle Johnny davon.
»Kommst du gut mit deinen Eltern aus?«, fragt er.
»Ja, meistens schon.« Ich lächle ihn schief an. »Allerdings sind sie nicht gerade erfreut, dass ich mit dir durchgebrannt bin.«
»Nicht? Ups.«
Wir gehen am Bach entlang. Ein paar Enten mühen sich ab, gegen die Strömung anzupaddeln.
»Wir hätten ein bisschen Brot mitbringen sollen«, sage ich.
»Ich wette, du hattest jede Menge Haustiere, als du klein warst, hab ich recht?«, fragt er amüsiert.
»Ein paar schon«, geb ich zu. »Und du?«
»Goldfische.« Er wirft mir einen Blick zu. »Ich hätte so gern einen Hund gehabt.«
»Durftest du keinen haben?«
Er schweigt einen Augenblick. »Wir wollten einen kaufen, aber dann wurde Mum krank.«
In der Hoffnung, dass er sich mir noch mehr öffnet, sage ich nichts, aber er sagt nichts.
»Jetzt könntest du doch einen haben«, schlage ich vor.
»Ich bin zu viel unterwegs. Das wäre grausam.«
»Kannst du es nicht wie Paris Hilton machen? Jemanden einstellen, der sich um die ganze Menagerie kümmert?«
»So ein Schwachsinn. Ich kauf mir einen Hund, wenn ich mich zur Ruhe setze. Einen richtigen Hund. Nicht diesen Footsie-Quatsch.«
Ich lache. »Dann musst du aber noch ein Weilchen warten.«
»Gestern hast du noch gesagt, ich wäre alt und out … «
»Das war ein Scherz!«
Er sieht mich verletzt an. »Wie kannst du so was Schreckliches sagen?«
»Ich hab’s doch nicht so gemeint.«
»Aber danach hab ich mich wirklich schrecklich gefühlt«, fügt er hinzu.
»Na, jetzt übertreib mal nicht. Außerdem hast du mir doch gesagt, ich wäre
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