Du bist mein Stern
mir nicht vorstellen.« Johnnys Ton klingt plötzlich hart.
»Wieso denn nicht?«, dränge ich.
Er schweigt.
»Du bist echt komisch«, sage ich lächelnd. »Warum erzählst du’s mir nicht einfach?«
Er seufzt. Schließlich schaut er mich von der Seite an und betrachtet mein Gesicht. »Christian und ich kriegen uns schnell in die Haare, wenn’s um Frauen geht.«
»Du hast doch nicht etwa mit seiner Freundin geschlafen, oder?«, platze ich heraus.
Johnny antwortet nicht.
»Du hast, nicht wahr?«
»Mmm«, erwidert er.
»Oje«, sage ich und versuche, es ein bisschen runterzuspielen. »Wie ist das denn passiert?«
»Ach, das war absolut bescheuert«, sagt er und fährt sich mit der Hand durch die Haare. »Wir haben immer ein bisschen geflirtet, und es schien Christian nie zu stören.«
Weil er dir vertraut hat, denke ich.
»Dann hab ich sie eines Nachts, als ich besoffen war, angegraben.«
»Sie hätte dich ja auch abblitzen lassen können«, werfe ich ein, damit er sich besser fühlt.
»Hat sie auch. Ich war aber ziemlich hartnäckig. Das war gerade zu der Zeit, als Fence in der Branche richtig eingeschlagen ist. Ich hab mir damals extrem was auf mich eingebildet. Noch mehr als heute«, sagt er selbstkritisch. »Ich dachte, ich könnte alles haben, was ich wollte.«
»Und du wolltest sie«, ergänze ich.
Stille.
»Na ja, sie wollte dich ja offensichtlich auch, wenn sie drauf eingegangen ist.«
»Ja, vermutlich.« Er kratzt sich am Kinn. »Aber sie hat es aufrichtig bedauert. Ich hab am nächsten Tag versucht, mich zu entschuldigen, aber sie konnte es nicht ertragen. Es war zuviel für sie. Sie hat Christian alles erzählt, und das war’s dann. Ich hab meinen besten Freund verloren.«
Er hebt einen Stein auf und schleudert ihn den Abhang hinunter. Dann fährt er fort: »Als ich von der Bandprobe kam, hatte er schon seinen ganzen Kram aus der Wohnung geräumt.«
»Und wo ist er hingezogen?«
»Keine Ahnung. Er und seine Freundin haben sich getrennt. Ich hab versucht, ihn anzurufen, aber er ist nie ans Telefon gegangen, und irgendwann hat er seine Nummer geändert.«
»Wie? Er hat nie mit dir darüber geredet? Dich nie angeschrien? Dir nie eine reingehauen?«, frage ich ungläubig.
»Nein. Nichts. Er war einfach wie vom Erdboden verschwunden.«
»Wow, hart.«
»Ich hab versucht, über seine Eltern an ihn ranzukommen, aber die haben mir ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass ich mich verpissen soll.«
»Echt?«
»Na ja, nicht so direkt. Aber seine Mum hat gesagt, ich solle Christian in Ruhe lassen. Ihm Zeit geben. Und dann kam Fence richtig groß raus, wir sind auf Tournee gegangen, und ich hab die Sache irgendwie hinter mir gelassen.«
»O Mann«, sage ich. »Und wann habt ihr dann wieder Kontakt aufgenommen?«
»Du weißt ja sicher von meinem Zusammenbruch.« Er wirft mir einen Blick zu.
»Ich hab ein bisschen was darüber gelesen.«
»Nachdem die Band auseinandergegangen ist, bin ich in ein schwarzes Loch gefallen. Und ich habe einige Jahre gebraucht, um da wieder rauszukommen.« Er sagt das ganz nüchtern. »Und als ich dann meine Solokarriere gestartet habe, hatte ich immer das Gefühl, dass irgendwas fehlt. Ich hatte keinen Kontakt mehr zu den Jungs von der Band – wir hatten uns verkracht«, erklärt er. »Und ich hatte das Gefühl, überhaupt keine Freunde zu haben.«
»Du musst ganz schön einsam gewesen sein«, sage ich.
»Ja, aber das hatte ich mir selbst zuzuschreiben, Nutmeg«, erwidert er leichthin. »Und irgendwann hab ich ein Stück gelesen, das Christian für den New Musical Express geschrieben hatte.«
»Über dich?«, taste ich mich vor.
»Nein. Er hat nie über mich geschrieben«, erwidert Johnny. »Aber ich hab seine Arbeit eine Weile verfolgt, und nach einer ganzen Zeit hab ich dann den Mut aufgebracht, ihm eine E-Mail zu schreiben.«
»Und? Hat er zurückgeschrieben?«
»Ja.«
»Und was ist dann passiert? Wie hat er dir schließlich verziehen?«
»Hmmm. Ich glaub immer noch nicht, dass er das getan hat.«
»Im Ernst?«, frage ich. »Obwohl du dich entschuldigt hast?«
Er rutscht unbehaglich auf dem Felsen rum. »Ich hab mich eigentlich nie richtig entschuldigt.«
»Oh«, sage ich.
»Ich weiß. Das ist scheiße von mir«, gibt er zu. »Aber es war ja auch wirklich merkwürdig. Wir haben nie drüber gesprochen. Er hat sofort total entspannt reagiert und sich offenbar echt gefreut, von mir zu hören. Und ich war so froh, meinen Freund zurückzuhaben,
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