Du bist nie allein
von Jacksonville hat dem Wächter Robert Bonhams Foto gezeigt, aber er hat ihn nicht erkannt.
Ich werde aber mal hinfahren und mich umhören. Vielleicht hat jemand anders gesehen, wie er den Wagen verließ. Wollen Sie mitkommen?«
Jennifer dachte kurz nach. »Nein«, sagte sie dann, »ich werde lieber weiter die Akten wälzen. Vielleicht habe ich ja noch etwas übersehen.«
Die meisten Vorhänge im Haus waren zugezogen, aber nicht die am Esszimmerfenster, und Richard hielt dort Ausschau nach Schatten, die sich hin und her bewegten. Bis auf das Rauschen der Wellen hörte er nichts. Der Wind hatte sich gelegt, die Luft war ruhig, als teile sie seine atemlose Spannung.
Julie würde bald zur Hintertür kommen. Für gewöhnlich ließ sie Singer nicht länger als zwanzig Minuten draußen, und er wollte ihr Gesicht sehen, wenn sie nach ihm rief. Er würde sie trösten, aber dafür war später noch Zeit. Wenn all das Hässliche vorüber war. Wenn sie allein waren, nur sie zwei – so, wie es vorherbestimmt war. Singer schleppte sich mühsam die Treppe hoch, kehrte dann aber taumelnd zum Strand zurück, wo er mit hängender Zunge im Kreis herumlief, als könne er so den Schmerz in seinem Bauch loswerden.
Jennifer war in das Material über Jessica vertieft und grübelte, wie Robert sie seinerzeit hatte ausfindig machen können.
Hatte er sie über ihre Kreditkartenbelege aufgespürt? Zweifelhaft, dachte Jennifer. Dazu hätte er jemanden bei der Polizei kennen müssen. Wie dann? Hatte jemand aus Jessicas Familie ihre Telefonnummer im Haus herumliegen lassen, sodass Robert mithilfe der Nummer ihren Aufenthaltsort herausbekommen konnte? Möglich – aber dazu hätte er bei der Familie einbrechen müssen.
Bei Julie hatte er das getan, dachte Jennifer, also vielleicht…
Ihre Gedanken kehrten zu dem gefundenen Auto zurück.
Dass er sich des Wagens entledigte, war natürlich zu erwarten gewesen, aber irgendwie musste er sich anschließend fortbewegen. Per Taxi? Nach kurzem Nachdenken verwarf sie den Gedanken wieder. Robert war clever genug, zu wissen, dass die Fahrtdaten aufgezeichnet wurden, und wenn Jennifer in Betracht zog, wie routiniert er schon einmal abgetaucht war, schien es ausgeschlossen, dass ihm ein solcher Fehler unterlief.
Wenn er stattdessen immer noch in der Gegend war, wenn er Julie suchte – wie würde er vorgehen?
Sie biss sich nachdenklich auf die Lippe. In dem Moment kam Captain Morrison an ihrem Büro vorbei.
»Captain?«
Er sah sie verdutzt an. »Ich dachte, Sie wären mit zum Krankenhaus gefahren, um den Wagen unter die Lupe zu nehmen.«
»Ich wollte es erst, aber…«
»Was, aber?«
»Wo genau befindet sich das Krankenhaus?«, fragte Jennifer. »In der Stadtmitte? In einem Vorort?«
»Mitten in der Stadt. Warum?«
»Wie sieht die Umgebung aus? Ich meine, waren Sie schon mal dort?«
»Klar, schon oft. Da gibt es Arztpraxen, Tankstellen, das Einkaufszentrum.«
»Wie weit liegt das Einkaufszentrum vom Krankenhaus entfernt?«
»Es ist gleich über die Straße.«
Er stutzte. »Wieso?«
»Ich überlege nur, welches Fortbewegungsmittel Robert jetzt wohl benutzt. Ist in jüngster Zeit ein Auto als gestohlen gemeldet worden?«
Morrison zog die Brauen hoch. »Werde ich prüfen. Lassen Sie mich kurz telefonieren.«
Jennifer nickte, ihr gingen bereits diverse Szenarien durch den Kopf. Sie ergriff die Schlüssel des Streifenwagens.
»Wo wollen Sie hin?«, rief Morrison, schon auf dem Weg in sein Büro.
»Ich werde doch mal zu diesem Krankenhaus fahren und nachfragen, ob die anderen irgendetwas Nützliches herausgefunden haben. Falls Sie von einem Autodiebstahl hören, geben Sie mir bitte sofort Bescheid, okay?« »In Ordnung.«
Julie ging zum Fenster, legte das Gesicht an die Scheibe und ließ den Blick über den Strand schweifen.
»Hast du Singer schon bellen gehört?«, fragte sie.
Mike trat neben sie. »Nein, noch nicht. Er ist wohl noch nicht zurück.«
»Wie lange ist er denn schon draußen?«
»Noch nicht sehr lange. Er kommt bestimmt gleich.«
Julie nickte. In der Ferne konnte sie schwach die Lichter eines Trawlers erkennen.
»Vielleicht sollte ich mal rausgehen und ihn rufen.«
»Soll ich das nicht besser tun?«
»Nein, ist schon okay. Ich brauche sowieso mal frische Luft.«
Als sie zur Tür ging, sah Pete ihr nach.
Richard beugte sich vor, als er sie am Fenster auftauchen sah. Ihr Gesicht war in dem hellen Licht des Raumes deutlich zu sehen. Mit jäher Gewissheit wurde ihm
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