Du bist nie allein
wie eine Lehrerin, die einen Schüler zum Ausspucken seines Kaugummis auffordert, und Mike zeigte prompt seine Hände.
»Mir kommen sie immer noch sehr rot vor.«
Sie schwieg kurz und schaute ihn merkwürdig an.
»Du liebe Güte«, sagte sie dann. »Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nichts gesagt. Aber ich glaube, ich weiß ein Mittel, das helfen könnte.«
»Was denn?«
Julie sah Mike in die Augen, führte seine Hand an ihren Mund und küsste jede Fingerspitze einzeln.
»Wie geht es deinen Händen jetzt?«, fragte sie anschließend lächelnd.
Mike räusperte sich. Als hätte ich eine Stromleitung angefasst, dachte er. Oder in einem Windkanal gestanden. »Besser«, brachte er heraus.
Sie aßen im Landing zu Abend, einem Hafenrestaurant in der Altstadt von Beaufort. Wie am Vorabend entschieden sie sich für einen Tisch auf der Terrasse, von wo aus sie die Boote beim Ein- und Auslaufen beobachten konnten. Pärchen und Familien flanierten auf der hölzernen Uferpromenade vorüber, mit Eiswaffeln und Tüten voller Souvenirs.
Julie legte sich die Serviette über den Schoß und beugte sich vor.
»Gute Wahl, Mike«, sagte sie. »Es gefällt mir hier sehr.«
»Freut mich«, sagte er erleichtert. »Mir gefällt’s auch, aber sonst komme ich immer mittags her. Abends war ich schon länger nicht mehr da…«
Er verstummte.
Julie schien ganz entspannt zu sein, sie strahlte, als fühle sie sich pudelwohl.
»Wie war’s heute Mittag mit Emma?«, fragte Mike.
»Oh, sehr nett. Mit ihr kann man gut reden.«
»So wie mit mir?«
»Nein, anders. Mit ihr kann ich über Sachen sprechen, über die wir beide uns nicht unterhalten.«
»Über mich etwa?«
Julie zwinkerte ihm spitzbübisch zu. »Na klar. Wozu soll man mit jemandem ausgehen, wenn man anschließend nicht darüber reden kann?«
»Was hast du denn gesagt?«
»Keine Sorge, nur Gutes.«
Mike griff lächelnd zur Speisekarte. »Also, sollen wir eine Flasche Wein bestellen? Einen Chardonnay vielleicht? Der Kendall-Jackson ist sicher gut. Der ist nicht zu schwer, und das Eichenaroma genau richtig, finde ich.«
»Wow«, sagte Julie, »ich bin beeindruckt. Ich wusste gar nicht, dass du dich so gut mit Wein auskennst.«
»Ich bin ein Mann mit vielen Talenten«, sagte Mike prahlerisch, worauf Julie auflachte und spielerisch mit der Speisekarte nach ihm schlug.
Sie hatten einen vergnüglichen Abend, aßen, tranken, plauderten und lachten und nahmen kaum wahr, dass der Kellner ihre Teller abräumte. Als sie aufbrachen, funkelten bereits die Sterne am Himmel.
Auf der Promenade herrschte immer noch Betrieb, aber das Publikum war jetzt jünger. Ein paar Stufen unterhalb des Stegs befanden sich zwei weitere Lokale, und in beiden stimmten gerade Sänger ihre Gitarren. Die Zahl der eingelaufenen Boote überstieg inzwischen die der Anlegestellen, und so vertäuten die Spätankömmlinge ihre Boote kurzerhand an den Nachbarbooten. Schon bald sah das Ganze aus wie eine schwimmende Siedlung. Bier und Zigaretten wurden freigebig geteilt, Boote gerieten heftig ins Schaukeln, weil die Leute sie als schwankende Laufstege benutzten, und notgedrungen kam es zu Verbrüderung unter Fremden, die sich wahrscheinlich nie wiedersehen würden. Die Stimmung ringsum war ausgelassen.
Als Mike und Julie aus dem Restaurant traten, ergriff er ihre Hand. Und bei dem Bummel über die Uferpromenade hatte Mike das Gefühl, dass die Wärme ihrer Hand seinen Arm hinauf bis zu seiner Brust ausstrahlte.
Sie blieben noch eine Stunde in Beaufort, verfolgten das bunte Treiben und plauderten, bis Julie feststellte, dass alle Nervosität verflogen war. Mike hielt immer noch ihre Hand, und manchmal streichelte er sie mit dem Daumen. Sie kauften sich ein Eis und spazierten barfuß über die Wiesen im Park, bis sie einen Platz gefunden hatten, wo sie es in Ruhe verspeisen konnten. Der Mond war aufgegangen, die Sterne hatten ihren Stand am Himmel verändert. Schließlich kehrten Mike und Julie zu der immer noch belebten Uferpromenade zurück. Träge schwappten die Wellen gegen die Kaimauer. Sie machten ein letztes Mal Halt, um sich in einem Lokal an einen verwitterten Tisch zu setzen, der unter den Flügeln eines quietschenden Deckenventilators stand. Der Sänger nickte Mike zu – offenbar kannten die beiden sich. Mike bestellte noch ein Bier, und Julie wie immer eine Cola light.
Während sie der Musik zuhörten, spürte Julie Mikes Blick auf sich ruhen. Sie vergegenwärtigte sich erstaunt, wie viel
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