Du bist zu schnell
frei. Da stehen sie. Frierend und nervös. Sie raucht, er scharrt mit den Füßen über den Asphalt und schaut immer wieder zum Wagen.
Ich hauche gegen das Glas, die beiden verschwinden. Ich sehe Jenni wieder an und lege mich über sie. So bleibe ich und spüre die Härte unter mir, und spüre eigentlich nichts. Ich warte. Jenni ist weg. Ich muß es laut sagen:
— Jenni ist weg.
Ich habe für sie gebrannt. Ich kann es nicht anders beschreiben. Ich habe vom ersten Augenblick an für sie gebrannt. Dabei weiß ich nicht einmal, was mich zum Brennen brachte.
Vielleicht lag es am richtigen Moment, oder die Chemie stimmte. Es war auch nicht so, daß ich diese Momente nicht öfter hatte. Ich verliebte mich regelmäßig. Es war eher so, daß diese Momente einseitig blieben und ich immer wieder vor meinem eigenen Enthusiasmus kapitulieren mußte. Zu viel Phantasie. Aber nicht bei Jenni. Da gab es keine Kapitulation und auch keine Einseitigkeit. Die Chemie stimmte. Ich brannte vom ersten Moment.
Als ich die hintere Tür öffne, geht das Licht im Auto an. Ich steige aus und drücke die Tür zu. Meine Hände zittern so sehr, daß ich sie in den Manteltaschen vergrabe. Ich kann keinen von den beiden ansehen. Ich will etwas sagen, aber mein Mund funktioniert nicht.
Die Frau kommt auf mich zu. Val. Ich weiß wenig von ihr, ich weiß, wie sich Jenni um sie gekümmert hat, nachdem Val aus der Psychiatrie entlassen wurde. »Die Frau ist nicht verrückt«, hat Jenni immer wieder betont. Sie kannten sich seit der Grundschule, und Jenni verstand nie, weshalb Val so plötzlich aus Oldenburg verschwunden war. Jetzt ist sie wieder hier, und Jenni ist weg. Val. Als mich diese fremde Frau in den Arm nimmt, will ich mich dagegen wehren. Ich will nicht nachgeben. Ich will meine Distanz bewahren, damit nichts an mich herankommt. Aber ich habe da nichts zu sagen. Mein Körper gibt nach, und mein Denken setzt aus. Ich lasse es zu und erwidere die Umarmung und kneife erneut die Augen zusammen, bis Lichter in meinem Kopf explodieren.
- Mach die Augen zu.
Sie hat mich überrascht. Es war im Sommer. Ich erinnere mich an die Geräusche der Stadt, an die angenehmen Stimmen von den Gärten und Baikonen. In den Häusern war spät am Abend fast jedes Fenster geöffnet, um etwas von der Kühle der Nacht einzufangen. Tagsüber wurden die Vorhänge zugezogen, damit die Hitze ausgesperrt blieb.
Sie kam in meine Wohnung, zündete Kerzen an und kochte, während ich noch im Kino war. Die Überraschung war ihr gelungen. Ich mußte mich auf einen Stuhl setzen und die Augen schließen. Ich hatte keine Ahnung, was der Anlaß war. Wir kannten uns ein knappes Jahr, planten zusammenzuziehen und träumten von einem Haus auf dem Land. Natürlich würde unser Geld nie reichen. Ich mit meinen kleinen Kinos und dem ersten Drehbuch, das ich jede Woche von Neuem in die Mangel nahm; Jenni mit ihrem Job beim Filmstudio, wo sie alles tat, was zu tun war, um eines Tages hinter der Kamera zu sitzen. Das waren wir — Träumer durch und durch. Es machte uns Spaß, und an bestimmten Abenden zerbrachen wir uns den Kopf, was wir mit all dem Reichtum anstellen sollten, wenn er einmal auf uns herabregnete. Denn natürlich wollte sie die Filme drehen, die ich schrieb. Wie auch sonst.
— Sind sie zu?
— Sind zu, sagte ich und hörte meinen Magen knurren. Es roch gut nach Koriander, Curry und gekochtem Reis.
— Und du darfst nicht schmulen, und du darfst dich auch nicht erschrecken.
— Okay.
—Versprich es.
Ich versprach es. Es war still. Ich hörte Jenni atmen.
— Jetzt.
Ich öffnete die Augen und schrak zurück, weil sie mir so nahe war. Jenni hatte ihr T-Shirt hochgezogen und reckte mir ihren Bauch entgegen. Er war vielleicht zwanzig Zentimeter von mir entfernt. Jenni hatte mit einem Filzer zwei riesige, schielende Augen, riesige Ohren und einen Grinsemund draufgezeichnet. Neben dem rechten Ohr war ein Kästchen und darunter stand JA, neben dem linken Ohr war ein Kästchen mit einem NEIN.
- Hier.
Jenni hielt mir den Filzer entgegen. Ich starrte auf die zwei Augen und den Punkt, der eine Nase sein sollte. Ich konnte Jenni nicht ansehen und bemerkte, daß ihr Herz heftig schlug — eine kleine, blaue Ader neben ihrem Beckenknochen pulsierte wie verrückt.
Ich zog die Kappe mit den Zähnen vom Filzer und setzte mein Kreuz neben das rechte Ohr.
Wir trinken Wodka und Cognac durcheinander. Ich habe nichts Stärkeres, und nach
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