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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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was ich zu sagen habe. Er wendet sich ab und geht zum Schreibtisch. Ich höre das Piepen eines Telefons.
    —Wen ruft er an? fragt Marek.
    Ich weiß es nicht, ich weiß nur, daß ich mir das alles anders vorgestellt habe.
    —    Ich dachte, es geht leichter, sage ich.
    —    Du müßtest dir ein paar Schellen von ihm einfangen, dann würdest du dir solch einen dämlichen Satz sparen.
    —    Du hast recht, sage ich, Das war keine gute Idee.
    Ich ziehe mir den Mantel über und verlasse mit Marek das Wohnzimmer. Im Flur taumle ich gegen die Wand, als ich versuche, hastig in meine Stiefel zu steigen. Marek stützt meine Schulter.
    -Wir sollten zur Polizei, sagt er, Wir... Ich erkläre ihnen, daß wir nicht wußten, wie wir reagieren sollten. Was wäre, wenn ich dich ganz aus dem Spiel lasse? Ich erzähle ihnen, du wärst nach Berlin gefahren, und ich wollte kurz in deine Wohnung, um etwas zu holen und fand dann Jenni. Ist doch egal, wer sie gefunden hat, oder? Dann habe ich dich angerufen, und du kamst aus Berlin zurück und wußtest in deiner Panik auch nicht weiter, und deswegen sind wir zu Theo gefahren, weil er---
    —    Es stimmt also, sagt eine Stimme hinter uns.
    Erschrocken drehen wir uns um. Theo hat das Telefon in
    der Hand, Strähnen haben sich aus dem Zopf gelöst, der Mund ist weich und verletzlich. Ich kann jetzt sehen, was Jenni an ihm geliebt haben muß.
    Wir warten. Es ist nicht mehr an uns, etwas zu sagen.Theo ist am Zug.
    —    Seit gestern, sagt er und hält uns das Telefon entgegen, Versuche ich, sie übers Handy zu erreichen. Sie macht so etwas nicht. Nie würde sie das machen. Es ist also wahr?
    Marek nickt, ich beiße mir auf die Unterlippe. Wir stehen da und rühren uns nicht. Ich weiß nicht, wieviel Zeit vergeht. Es kommt mir vor, als würde der Moment sich strecken und dehnen. Theo sieht an uns vorbei, dann gibt er sich einen Ruck und kommt näher. Wir weichen zurück. Theo nimmt sich seinen Ledermantel von der Garderobe. Ich möchte ihn berühren und über seinen Kopf streichen. Marek zieht mich am Arm zurück.
    —    Ich will sie sehen, sagt Theo und öffnet die Wöhnungs-tür.
THEO
1
    Ich sah Jenni das erste Mal im Kino, als ich zwischen Saal 3 und 4 wechselte. Sie stand mit einer Freundin vor den Plakaten und steckte sich ihr Haar hoch. Als ich vorbeilief, hörte ich sie lachen und dachte, das kann nicht echt sein. Nachdem ich den Film eingelegt und Saal 4 verlassen hatte, waren die beiden verschwunden. Ich tauschte mit Rita den Platz hinter der Theke und bat sie, den nächsten Film für mich zu übernehmen. Knappe zwanzig Minuten später verließen Jenni und ihre Freundin Saal 6. Sie hatten >Elling< gesehen, und ich fragte, wie der Film gewesen war.
    —    Ein wenig so, als wäre >Rain Man< nach Schweden ausgewandert und nie angekommen, sagte Jennis Freundin.
    Ich lachte, ohne die Augen von Jenni zu nehmen. Es war sehr auffällig. Ich wurde rot und versuchte woanders hinzusehen, aber mein Blick kehrte immer wieder zu ihr zurück. Die zwei Frauen grinsten sich an. Ich trat wie ein Idiot von einem Fuß auf den anderen und fragte schließlich, ob sie mit einer Cola einverstanden wären.
    —    Das ist bei uns Brauch, log ich, Wenn jemand mittendrin aus einem Film rausgeht, bekommt er ein Gratisgetränk.
    -    Immer? fragte Jenni, und es war das erste Wort, das ich sie sagen hörte.
    -    Immer, sagte ich.
    Sie teilten sich eine große Packung Popcorn, tranken dazu eine Cola und quatschten mit mir über Filme. Als die ersten
    Zuschauer die Kinosäle verließen, schrieb mir Jenni ihre Telefonnummer auf die Rückseite meiner Hand.

    Sie schließen die Wagentür hinter mir und lassen mich allein. Sie haben Jenni in eine Decke gewickelt. Ich erahne die Umrisse ihres Kopfes, die Schultern. Ich lege eine Hand auf die Stelle, an der ich ihr Becken vermute. So sitze ich und warte.
    —    Jenni?
    Ich streichle über ihren Rücken, ziehe die Decke herunter. Die Haut in ihrem Gesicht ist fahl und wächsern. Der Mund steht einen Spalt offen, die Augen sind geschlossen. Ich lege meine Hand auf ihre Stirn, berühre ihre Wange und warte, daß sie sich bewegt. Warte auf einen Atemzug, ein Blinzeln. Dann ziehe ich die Decke wieder über ihren Kopf und kneife die Augen zusammen, bis ich Lichter explodieren sehe. Ich weiß nicht, wie lange ich jetzt schon hier sitze. Als ich aufblicke, sind die Scheiben beschlagen, und es ist dunkel. Ich wische eine Stelle am Fenster

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