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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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stoppen, der ihren Computer lahmgelegt hat.
    Marek schlägt vor, wir sollten ein zweites Mal versuchen, im Internet nach den Schnellen zu suchen.
    —    Einen Versuch wäre es wert, sage ich und gehe zum Schreibtisch. Der Computer startet mit einem schnarrenden Geräusch, der Monitor knistert. Ich schalte die Lampe über dem Schreibtisch an. Eine Minute darauf folgen mir Val und Marek und ziehen sich Stühle heran.
    In den ersten zwei Monaten der Schwangerschaft konnten wir die Hände nicht voneinander lassen. Alles kam uns wertvoller und mächtiger vor. Wir waren dabei, etwas zu erschaffen. Wir hatten einen Stein ins Rollen gebracht.
    In dieser Zeit entdeckten wir westlich von Oldenburg ein Anwesen mit einem verfallenen Bauernhof. Es war reiner Zufall. Spätsommer, wir beide auf dem Motorrad und auf der Suche nach einem See. Wir hatten Sachen für ein Picknick dabei. Wir wollten romantisch sein und einander mit Trauben füttern.
    Erst übersahen wir das Anwesen, weil es auf einer Anhöhe lag. Wir kamen auf eine Straße, die wegen Bauarbeiten gesperrt war, und mußten zurückfahren. Als wir das zweite Mal an dem Hof vorbeifuhren, klopfte mir Jenni auf den Oberschenkel. Ich fuhr langsamer, folgte ihrer ausgestreckten Hand mit den Augen und wendete.
    Ein überwucherter Weg führte zum Anwesen hoch. Ich hielt auf der Hofeinfahrt und ließ Jenni absteigen. Nachdem ich die Maschine aufgebockt hatte, schaute ich mich um. Wir waren von der Straße aus nicht zu sehen. Der Tümpel hinter dem Hof war von Bäumen eingeschlossen. Ein kleiner Schuppen stand windschief in der Nähe des Hauses.
    Wir blieben, picknickten und beschlossen, mehr über den Hof herauszufinden. Wir betraten die verfallene Scheune, sahen durch die eingeschlagenen Fenster des Hauses, wagten es aber nicht, eine derTüren aufzubrechen.
    Als es dunkel wurde, konnten wir uns noch immer nicht von dem Ort trennen. Mücken begannen uns zu umschwirren, und Jenni schlug vor, ich sollte doch ein Feuer machen. Während sie Äste sammelte, kehrte ich eine Stelle am Ufer frei und baute aus Steinen eine Feuerstelle. Ich weiß nicht, wie lange wir dort saßen. Jennis Kopf lag in meinem Schoß, ich hörte ihr zu und sah immer wieder zum Hof hinüber. Auf
    eine bestimmte Weise gehörte er uns schon, auf eine bestimmte Weise lebten wir dort schon.
    Zehn Jahre waren vergangen, wir verbrachten die Sommerabende noch immer am Tümpel, kaum etwas hatte sich verändert. Die Welt drehte sich im gleichen Rhythmus, unsere Kinder schliefen im Haus, wir waren angekommen und würden nie wieder suchen müssen.
    Wir löschten das Feuer, indem wir es mit Sand bedeckten, und standen für einige Minuten mit dem Rücken zum Hof. Jenni spuckte auf das Wasser.
    —    Du auch, sagte sie.
    Ich spuckte weiter, und das brachte Jenni zum Lachen. Sie sagte, ich wäre ein Angeber, ich sagte, sie könnte nicht weit spucken.
    —    Jetzt mal ernst.
    Sie lehnte ihren Hinterkopf an meine Brust, ihre Stimme war leise.
    —    Wenn wir mal sterben, dann will ich, daß sie uns hier beerdigen, versprochen?
    —    Blödsinn.
    —    Nein, versprich es mir.
    —Wir sterben nicht.
    -Wenn aber...
    Mir zog sich der Hals zusammen.
    —    Jenni?
    -Wenn aber...
    —    ... dann werden sie uns hier beerdigen, zufrieden?
    Sie drehte sich um, ihre Pupillen waren zwei glitzernde Punkte.
    —    Gut, sagte sie, Laß uns jetzt nach Hause fahren.
    Wir suchen über zwei Stunden im Internet und geben die Begriffe ein, mit denen Jenni und Val Erfolg hatten. Die Schnellen. Das Spiegelprinzip. Zeitverzögerung. Nichts. Wir wechseln die Suchmaschinen und denken uns Variationen auf die Begriffe aus. Rein gar nichts kommt dabei heraus. Unmengen von Serviceseiten tauchen auf, dann obskure Pressemitteilungen, wie schnell der und der liefert, auch physikalisches Gelaber über ein Spiegelprinzip, das niemand versteht, aber in dem alle die Zukunft sehen.
    Wir finden all das, die Links mit den Zahlen aber existieren nicht.
    —    Nicht mehr, betont Val, Sie müssen die Seiten aus dem Netz genommen haben. Ist so etwas möglich?
    —    Keine Ahnung, sage ich, Wie wer was im Netz verteilt, war mir schon immer ein Rätsel, aber sicher ist es möglich.
    Ich unterbreche die Verbindung und fahre den Computer runter. Die Ruhe danach ist unangenehm, die Stimmung schlecht. Es stinkt nach Zigaretten und Schweiß. Mareks Gesicht wirkt eingefallen, Val ist gereizt. Mir schmerzt der Kopf, also löse ich den Zopf

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