Du bist zu schnell
auch als Arbeitsplatz dient, eine Küche und ein kleines Schlafzimmer. Das Bad hat eine Dusche, die Toilette befindet sich daneben in einer schmalen Kammer. Auf den Dielen sind hier und da Flickenteppiche verteilt. Die Wände sind unverputzt und weiß.
- Setzt euch, sagt Theo und verschwindet in der Küche. Er schließt dieTür hinter sich, und dann hören wir Wasser laufen. Marek sieht mich fragend an, ich weiß auch nicht, was das soll.
Wir setzen uns an den Wohnzimmertisch und behalten die Mäntel an.
- Nervös? frage ich.
- Nervöser geht es nicht, sagt Marek und wischt sich über den Mund, Was macht er in der Küche?
Das Wasserrauschen hat aufgehört.
- Keine Ahnung, sage ich und sehe mich um.
Ich erkenne Sachen von Jenni wieder, und es zieht mir das Herz zusammen. Das Bild dort hing in ihrer alten Wohnung über dem zugemauerten Kamin — zehn Hunde, die eine Pyramide bilden - und den Kerzenständer am Fenster haben wir an einem Sommertag zusammen auf dem Flohmarkt gekauft. Ich könnte jeden Moment in Tränen ausbrechen.
-Wieso weinst du? fragt Marek.
-Weil...
Ich verstumme, als Theo mit einem Tablett hereinkommt. Schnell wische ich mir die Tränen ab. Auf dem Tablett befinden sich eine Kaffeekanne, drei Becher, Zucker und Milch. Ich möchte ihm sagen, das wäre nicht nötig, wir wollten nur kurz reinschauen, dann wird mir bewußt, wie absurd das ist, und ich ziehe den Mantel aus, hänge ihn über die Stuhllehne und nehme einen Becher Kaffee entgegen.
Ich habe mir Theo anders vorgestellt, mehr zu Jenni passend. Ihr gefielen immer diese kleinen, dunklen Jungs, die aussahen, als hätte man sie eben aus Sizilien eingeschifft. Theo ist alles andere als klein und dunkel. Ich schätze ihn auf einen Meter neunzig. Er hat hellbraunes Haar, das zu einem Zopf gebunden ist, und sieht aus wie jemand, der den ganzen Tag gesunde Nahrung zu sich nimmt und am Abend um den Block joggt. Jenni muß mit ihrer Zerbrechlichkeit den Beschützerinstinkt in ihm geweckt haben.
— Okay, sagt Theo und legt die Hände um seinen Becher, Sie kommt nicht wieder, richtig?
Ich sehe Marek an, er reagiert, indem er in seinen Kaffee starrt. Er hat recht, das hier ist meine Sache.
— Theo, wir haben schlechte Nachrichten, sehr schlechte Nachrichten.
Theos linkes Auge beginnt zu zucken, er legt eine Hand darüber, entschuldigt sich und verschwindet im Bad. Als er wiederkommt, sind seine Augen glasig. Er stellt ein kleines Fläschchen mit Augentropfen auf den Tisch.
— Neue Kontaktlinsen, erklärt er und sieht mich an, Was ist passiert?
— Jenni ist tot, antworte ich, und versuche es so normal wie möglich klingen zu lassen, Sie wurde in meiner Wohnung ermordet.
In Theos Gesicht passiert erst mal nichts, dann lächelt er.
-Wirklich, sage ich.
— Sehr witzig, sagt er.
— Es ist wahr, sagt Marek.
Sie sehen sich an, und was Theo mir nicht glauben konnte, glaubt er Marek. Für eine Sekunde vielleicht.
— Ihr verarscht mich doch, oder?!
Er ist auf den Beinen, stößt dabei mit den Knien gegen den Tisch, so daß der Kaffee aus den Bechern schwappt. Auch Marek steht und breitet beruhigend die Hände aus. Ich bin plötzlich froh, ihn dabeizuhaben, alleine wäre ich längst weggerannt.
— Jenni ist nicht tot, sagt Theo leise.
— Es tut mir leid, sagt Marek.
— Jenni ist nicht tot! wiederholt Theo lauter.
—Wir haben sie mitgebracht, erkläre ich.
— Sie liegt im Wagen auf dem Rücksitz, springt Marek ein, und das hätte er lieber nicht sagen sollen. Theo macht zwei
Schritte auf Marek zu und schlägt ihm ins Gesicht. Mit der offenen Hand, eine klatschende Ohrfeige, dann eine zweite mit der anderen Hand.
-HEY!
Mein Schrei bremst Theo. Marek taumelt zurück. Theo sieht erschrocken auf seine Hände.
— Es tut uns leid, sage ich, Aber wir dachten, daß du es als erster erfahren solltest.
Ich erwarte, daß er jetzt auch auf mich losstürmt, er aber schüttelt nur den Kopf.
— Ihr seid krank, ihr... Los, macht daß ihr rauskommt, los, haut ab. Was, was seid ihr?! Scheiß Zeugen Jehovas oder was? Ich habe keine Ahnung, was ihr... SCHEISSE, LOS, RAUS HIER!
Er bewegt sich nicht, seine Arme sinken herunter, die Hände ballen sich zu Fäusten.
— Laß uns gehen, sagt Marek.
Seine Wangen sind rot, ein dünner Faden Blut fließt ihm aus der Nase.
— Ich geh nicht, bis dieser Typ...
Theo will nicht hören,
Weitere Kostenlose Bücher