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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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ein paar Minuten werden sie von allen Seiten heranströmen. Seid ihr bereit für die Flut der Psychotiker?
    Es sind viele. Sie kommen nicht nur aus den anderen Häusern, sie kommen aus den Büschen, vom Parkplatz, scheinen aus dem Nichts aufzutauchen und bewegen sich in kleinen Gruppen auf den Backsteinbau zu. Ich bin überrascht, daß sich so viele bei der Kälte ins Freie wagen.
    -    Und? fragt Theo.
    Val antwortet ihm nicht, sie schaut und schaut, dann steht sie auf und geht los, Hände in den Manteltaschen und zielstrebiger Schritt. Sie hält eine Gruppe von Frauen auf. Im nächsten Moment wirft eine von ihnen Val die Arme um den Hals, und sie tanzen im Kreis.
    -    Treffer! sage ich und setze mich zu Theo auf die Parkbank.
    Ihr Name ist Bettina. Ich weiß nicht, was ich von ihr halten soll. In meinem Kopf jagen sich die absurdesten Bilder, weil ich mir vorzustellen versuche, was gewesen wäre, wenn ich Val nicht nach einer Party, sondern hier auf diesem Gelände kennengelernt hätte — mit weißen Stiefeletten, grüner Jogginghose, Lederjacke mit Fellkragen und rosa Lippenstift.
    -    Hi, sage ich.
    -    Hallo, sagt Theo.
    Bettina ist völlig aufgeregt, sie umarmt Val ein zweites Mal und quietscht dabei:
    -    Es ist soo lange her, es ist soowas von lange her. Val, die Val ist wieder zurück! Wir haben auf dich gewartet, wir wußten, daß du zurückkommst.
    Bettina sieht Theo und mich an.
    —Wir wußten es! Wußtet ihr es auch?
    Bevor wir antworten können, hat sie die Arme in die Luft geworfen und ruft:
    —Val ist wieder da!
    Eine neue Umarmung. Val lächelt unsicher und versucht, Bettina auf Abstand zu halten. Theo sieht zum Backsteinbau, als würde er auf einen Bus warten. Ich grinse dämlich.
    -    Sie reden von dir, sagt Bettina, Sie reden alle von dir. Was du getan hast, was du nicht getan hast. Wir wissen das alles.
    -Wovon sprichst du? fragt Val.
    Bettina zwinkert ihr zu, dann verpaßt sie ihr einen kumpelhaften Stoß gegen die Schulter.
    -Wovon sprichst du? imitiert sie Vals Stimme und wechselt fließend zu ihrem hohen Kreischen zurück, Hahaha, was werden sich die anderen freuen! Was werden die sich freuen! Gehst du mir nicht weg, versprochen? Gehst du mir nicht wieder weg?! Ich bin gleich wieder da.
    -    Ich warte hier, verspricht Val, dann erklingt wieder ein Quietschen, Val wird umarmt, ehe Bettina wieder zu ihrer Gruppe von Frauen zurückrennt.
    -    Mittagessen, sagt Val und weicht unseren Blicken aus.

    Wir finden in dem überfüllten Besuchercafé einen Tisch direkt am Fenster. Die Luft ist dick vom Zigarettenrauch, die Scheiben vom Dunst beschlagen, so daß man nur an einigen Stellen hinausschauen kann. Viele Patienten essen mit ihrem Besuch, an den vorderen Tischen sitzt Personal.
    -    Von denen kenne ich keinen, sagt Val und geht los, um sich ein Tablett zu holen.
    -    Ich paß auf den Tisch auf, sage ich zu Theo.
    Während die beiden sich anstellen, checke ich mein
    Handy. Die elfte SMS von Gerald ist gekommen. Ich kann nicht mehr lange so tun, als ob ich kein anderes Leben habe. Ich schreibe ihm zurück, daß ich in den nächsten Tagen noch unterwegs bin und er alle Entscheidungen vorerst allein treffen soll. Keine Werbeagentur geht den Bach runter, nur weil ich nicht zu sprechen bin.
    Als ich die SMS abschicken will, bemerke ich einen Arzt vor dem Fenster. Er trägt einen aufgeknöpften Kittel und nichts darüber. Die Hände hat er links und rechts an den Augen, um besser durch die Spiegelung in das Café zu schauen. Es war für mich schon immer komisch, so etwas zu beobachten. Wenn jemand auf diese Weise reinschaute, hatte ich immer das Gefühl, ich würde in einer Glaskugel sitzen.
    Ich schicke die SMS ab, schalte das Handy aus und verstaue es im Mantel. Der Arzt steht noch immer da, die Hände um die Augen, das Glas ist von seinem Atem beschlagen. Außer mir beachtet ihn niemand. Ich versuche zu erraten, was er sieht. Ist es der Tisch mit den anderen Ärzten, oder sind es die zwei Küchenhilfen, die neben einem Rollwagen stehen und sich unterhalten?
    Der Arzt wischt die beschlagene Stelle vom Glas und ist im nächsten Moment verschwunden.Theo undVal kommen auf unseren Tisch zu. Ich bin so langsam mit meinem Denken, daß es fast schon peinlich ist.
    —    He, sagt Theo, Was ist los, warum---
    Den Rest kriege ich nicht mit. Ich renne ohne Mantel aus dem Café und sehe den Arzt hinter einem weißen Flachbau verschwinden. Hinter dem Flachbau teilt

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