Du bringst die Liebe in mein Leben
es nur Glückwünsche von zu Hause. Bei dem Gedanken, daß die Neuigkeit ihrer Beförderung sie noch vor ein paar Tagen im siebten Himmel hätte schweben lassen, mußte sie lächeln. Ja, Colin Arcangelo hatte sie in diesen Tagen vieles gelehrt. Was würde wohl der Rektor der Universität am ersten Tag des Semesters ihren Kollegen sagen, wenn er ankündigen mußte, daß sie nicht zurückkäme?
“Das letzte, was wir von ihr gehört haben, war, daß sie durch den Potala-Tempel in Tibet wandelte und so etwas vor sich hin murmelte wie: .Arcangelo! Arcangelo!’”
“Vielleicht ist sie auf einer Wallfahrt und ruft die Erzengel im Himmel an”, würden ihre Kollegen spekulieren und sich dann achselzuckend einen neuen Vorsitzenden für die Fakultät wählen. Wieder lächelte sie.
Nachdem sie eine angemessene Zeit in dem Speisesaal zugebracht hatte, ohne ihr Essen anzurühren, ging sie auf ihr Zimmer zurück. Ruhelos lief sie hin und her, dann legte sie sich schließlich aufs Bett und versuchte zu lesen. Doch es war ihr unmöglich, sich zu konzentrieren. Sie duschte noch einmal, und als ihr auch das nicht half, sich zu beruhigen, ging sie die Treppe hinauf zu Colins Zimmer. Sie klopfte an die Tür.
“Colin!” rief sie leise. “Colin”, wiederholte sie noch einmal und wünschte sich sehnlichst, er würde die Tür öffnen und sie in die Arme nehmen. Sie biß sich auf die Lippen, als keine Antwort kam, dann ging sie wieder nach unten.
Er hat mir nicht einmal eine Nachricht hinterlassen, dachte sie. Vielleicht, weil zwischen ihnen alles aus war? Wo war er jetzt? Wann würde er zurückkommen? Hatte er sich etwa mit Chiave getroffen, um seine Vorlesungen abzusagen, weil es zu schmerzlich für ihn war, in ihrer Nähe zu sein, ohne daß sie sich zu ihm bekannte?
Nun machte sie sich Vorwürfe, daß sie nicht beim Frühstück mit Colin gesprochen hatte. Alles würde sie darum geben, ihn jetzt hier bei sich zu haben. Sie würde ihn in die Arme nehmen und ihm ihre Seele offenbaren.
Schließlich nahm sie den Brief ihrer Studenten vor und bemühte sich, deren Fragen zu beantworten. Auch wenn sie beabsichtigte, ein neues Leben hier in Europa zu beginnen, so bedeutete das nicht, daß sie alle Brücken hinter sich abbrechen mußte. Es war Ironie, daß der einzige Mensch, mit dem sie ihr neues Leben teilen wollte, noch keine Ahnung davon hatte.
Am nächsten Tag, noch ehe Elda zum Unterricht ging, rief sie zu Hause an.
“Peter”, rief sie in den Hörer, “ich vermisse dich so!”
“O Mommy, es sind doch nur noch zehn Tage!”
“Zehn Tage? Bist du sicher?”
“Ja. Großmama und ich haben einen Kalender, an dem wir jeden Tag abstreichen. Nur noch zehnmal schlafen, dann bist du wieder zu Hause.”
Sie unterhielten sich noch einige Minuten. Eigentlich hatte Elda vorgehabt, Peter zu fragen, ob er mit ihr nach Europa ziehen möchte, doch dann sagte sie sich, daß es vielleicht verfrüht sei. Sie wollte lieber mit ihm darüber reden, wenn sie wieder zu Hause war.
Als sie den Hörer wieder auflegte, war sie voller Unruhe.
Was war nur mit Colin geschehen? Wie konnte sie ihn wissen lassen, daß sie seinen Heiratsantrag annahm? Sie bat die Rezeption, sie mit Colins Haus in Jugoslawien zu verbinden, aber niemand nahm dort den Hörer ab. Schwieriger war es, eine Verbindung zu Marias Haus zu bekommen, und als sie Maria endlich am anderen Ende der Leitung hatte, lachte Elda nervös, während sie versuchte, Maria klarzumachen, was sie von ihr wollte. Doch als Maria sie dann bat zu warten, atmete sie erleichtert auf. Sicher würde sie als nächstes Colins Stimme hören.
“Hallo, Elda!” hörte sie dann plötzlich eine weibliche Stimme. Es war Marias Enkelin.
“Ich… na ja… um ehrlich zu sein”, stotterte sie. “Ich versuche, Colin zu erreichen.”
Am anderen Ende der Leitung gab es eine lange Pause, ehe die junge Frau erstaunt fragte: “Ist er denn nicht bei Ihnen?”
“Nein…ich meine…wir hatten da ein Mißverständnis …
wir…”
“Dann wird er sicher bei Donnatella sein”, antwortete die junge Frau und legte den Hörer auf.
Elda mußte sich wieder ins Gedächtnis rufen, daß Marias Enkelin Donnatella sehr zugetan war und es daher nur verständlich war, daß sie noch immer zu ihr hielt. Natürlich wußte sie genausowenig wie Elda, wo Colin sich in diesem Augenblick aufhielt.
Ziellos lief Elda danach durch die Straßen von Urbino. Heute war Markttag, sie ging zwischen den Ständen hindurch, trank irgendwo
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