Du denkst, du weißt, wer ich bin
wiederzufinden. »Olive Corbett.«
Miss Falippis Blick glitt über mein Gesicht, sie runzelte die Stirn – schließlich schien sie mich zu erkennen. »Olive? Du hängst da mit drin?«, zischte sie. » Nie hätte ich …«
»Ich gehe nur mit dem Hund spazieren«, entgegnete ich und versuchte, trotz des Brennens in meiner Brust ruhig und vertrauenerweckend zu klingen. »Aber wir sollten jetzt gehen. Es wird dunkel.«
Miss Falippi hob plötzlich ihre Hand, so wie in der Schule, wenn sie um Ruhe bat. »Schh!« Ihre Augen huschten ängstlich hin und her. » Ist sie … das?«
Ich horchte, und obwohl ich nichts hören konnte, hatte ich dieses schreckliche kribbelnde Gefühl, jemand hielte sich in der Nähe versteckt.
»Hallo?«, sagte ich überlaut. »Wir brauchen hier Hilfe. Ist da jemand? Bitte .« Für einen kurzen Moment bildete ich mir ein, ich würde etwas sehen – ein schwaches Aufblitzen zwischen den Bäumen – aber Sekunden vergingen, und niemand erschien. Meine Fäuste waren zusammengeballt. »Da ist niemand«, erwiderte ich, nicht sehr überzeugend.
Miss Falippi schwenkte zu mir herum, ihre Augen sogar noch wirrer als vorher. »Ich kenne euch«, flüsterte sie rau. »Ihr Mädchen macht vor nichts Halt.«
Wieder versuchte ich, zu ihr durchzudringen. »Ich bin’s nur, Olive, Miss Falippi. Ich weiß ja nicht, was passiert ist, aber vielleicht kann ich –«
Miss Falippi trat von mir weg, die Hände ausgestreckt, das Gesicht purpurn vor Zorn. »Geh weg«, kreischte sie. »Lass mich in Ruhe!«
Sie drehte sich weg und taumelte durch das Unterholz, keuchend und jammernd. Ich lief nicht hinter ihr her. Sie hatte ziemlich deutlich gemacht, dass sie meine Hilfe nicht wollte. Ich atmete ein paar Mal tief ein und aus, als Ralph hinter einem Busch hervorgeschossen kam und so aussah, als sei er mit sich und seiner Welt zufrieden. Seinem Gestank nach zu urteilen hatte er sich eindeutig in etwas ganz, ganz Ekligem gewälzt.
»Oh, Ralph«, sagte ich. Beim Anblick seines süßen, albernen Gesichts wäre ich fast in Tränen ausgebrochen. »Jetzt sieh dich an. Komm. Nichts wie weg hier.«
Als ich nach Hause kam, waren Mum und Toby noch nicht zurück, also spritzte ich mir ein paar Handvoll Wasser ins Gesicht und schluckte eine Runde Pillen. Hatte ich überhaupt an diesem Tag schon welche genommen? Manchmal, wenn ich müde war, verlor ich den Überblick.
Ich rief Ami an, und als sie kurz darauf auftauchte, musste ich fast wieder heulen – aber dann kam der Ärger dem zuvor. »Wo zum Teufel warst du?«
Ich wusste, es war unfair, aber ich konnte nichts dafür. Ich fühlte mich, als hätte sie mich im Stich gelassen. Ami warf nur einen Blick auf meinen wütenden Ausdruck. »Was ist denn passiert?« Es war solch eine Erleichterung, alles loswerden zu können – das schreckliche Geräusch von Miss Falippis Keuchen, ihre Paranoia, der Wahnsinn in ihrem Gesicht. Meine Stimme zitterte, als ich das Gefühl beschrieb, mich nicht rühren zu können, und dass da noch jemand im Wald gewesen war.
Ami hörte auf dieselbe Art zu wie immer – ohne zu unterbrechen. Sie hörte einfach nur zu. »Du hast alles richtig gemacht«, sagte sie, als ich endlich fertig war. »Du hast versucht zu helfen, aber sie hat dich nicht gelassen. Was solltest du tun?«
Ich nickte langsam. Das war die Bestätigung, auf die ich gewartet hatte. Aber trotzdem fühlte ich mich immer noch total aufgewühlt. Ami drückte meinen Arm. »He«, flüsterte sie. »Lass uns Ralph saubermachen, bevor deine Mutter ihn so sieht. Ich wette, wenn wir damit fertig sind, hast du Miss Falippi vergessen.«
Normalerweise hasste ich es, Ralph zu waschen. Sein langes Fell verhedderte sich leicht und war nie ohne klebriges Zeugs und Kletten. Außerdem hatte er die Angewohnheit abzuhauen, wenn er noch nass war, und alles mit Wasser und Shampoo einzusauen. Aber an diesem Abend ging ich mit einer Begeisterung an die Arbeit, die ich sonst nur aufbringe, wenn ich Luxe-Poster anfertige.
Ami saß am Badewannenrand, wies auf die Stellen hin, die ich ausgelassen hatte und arbeitete hauptsächlich daran, mich abzulenken. Und es funktionierte. Ziemlich gut. Als Mum und Toby nach Hause kamen, war Ralphy klettenfrei, und ich war so gut wie überzeugt, dass alles, was ich an diesem Tag im Wald erlebt hatte, gar keine so große Sache gewesen sei.
Am nächsten Morgen musste Mum noch einen Stapel eiliger Aufträge abarbeiten, also machte ich Toby fertig und brachte ihn zur Schule.
Ich
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