Du denkst, du weißt, wer ich bin
stumme Kreatur, die erst vor Kurzem in unserem Klassenzimmer aufgetaucht war, dieselbe Person sein sollte, die jetzt überall und Teil von allem zu sein schien. Miranda nahm zu. Ihre Uniform, die anfangs wie ein Sack an ihr gehangen hatte, war jetzt kürzer und saß perfekt, immer ein ganz klein wenig verrutscht, auf diese Katie-typische Art. Ihre plötzliche Gesundheit schien allerdings nicht auf Katie abzufärben – im Gegenteil. Katie war immerzu dünn gewesen, jedenfalls sahen das alle so außer ihr selbst und außer ihrem Agenten. »Wenn ich wenigstens noch dieses eine Kilo abnehmen könnte«, beklagte sie sich immer ärgerlich, »kämen die Jobs nur so angeflogen, sagt mein Agent.« Es spielte überhaupt keine Rolle, wie oft ich ihr zuredete, das sei Unsinn – sie blieb dabei.
Katies Agent musste jetzt von ihr begeistert sein, denn ihre Kurven – so wie sie gewesen waren – fingen an zu schwinden.
Es war nicht nur Gewicht, was Katie verlor. Jedes Mal, wenn ich Miranda sah, hatte sie wieder eines von Katies Besitztümern. Zuerst waren es nur kleine Dinge wie Haarspangen und Stifte und Magazine. Aber peu à peu wurden die Gegenstände größer und wertvoller. Ihre purpurfarbenen Ohrstöpsel. Ihr Lieblingsschal. Ihr iPod. Ich erwartete schon fast, sie mit Katies ganz persönlichem Tagebuch abziehen zu sehen, das sie mit einem kleinen Silberschlüssel verschlossen hielt. Aber der größte Schock kam, als ich sah, dass Miranda Katies Ohrringe trug. Jeder wusste über diese Ohrringe Bescheid, weil Katie ununterbrochen mit ihnen protzte. Sie waren »vierundzwanzigkarätiges Gold« mit einem »zweikarätigen Diamant in jedem Ohrstecker«. Sie wagte nur, sie in der Schule zu tragen, weil sie versichert waren. Niemand durfte sie anfassen, nicht einmal Paige und Justine. Aber eines Tages bei der Morgenversammlung steckten sie plötzlich in Mirandas Ohren, funkelnd und glitzernd wie Sterne, wenn sie ihre Haare zur Seite strich. Und dort blieben sie auch. Bis zur Ballnacht, natürlich.
Miranda gehörte inzwischen zum Schulballkomitee, obwohl, wann immer ich sie sah, eigentlich nur Miranda und Katie die Wimpelmuster prüften und dabei Musik hörten, jede von ihnen mit einem der purpurnen Ohrstöpsel. Paige und Justine saßen immer ein wenig abseits, mit muffeligen Gesichtern, um sich herum Pakete mit ungegessenen Reiscrackern und Tüten voller Weintrauben. Um Miranda und Katie schien sich eine Schutzmauer zu bilden, und es wurde immer schwerer für andere – und Snacks – diese zu durchdringen.
Trotzdem war ich erstaunt, als ich hörte, dass Justine und Paige offiziell nicht mehr mit Katie befreundet waren. Vielleicht, weil es so plötzlich kam. Oder die Art, dass niemand zu wissen schien – oder sich zu kümmern schien –, wie es dazu gekommen war. Anscheinend hatten sie einfach irgendwie nicht mithalten können.
»Wahrscheinlich haben sie den verkehrten Nagellackton getragen«, sagte Ami. »Du weißt schon. Etwas ganz Unverzeihliches.«
Als Justine aus der Katie-und-Miranda-Show geworfen wurde, verschwand sie einfach im Hintergrund. Vielleicht war das eine Erleichterung. Bei Paige war es anders. Ich glaube, ich hatte immer schon angenommen, dass zwischen ihr und Katie nie eine echte Freundschaft bestanden hatte – dass Paige damit einverstanden gewesen war, Katies Sklavin zu sein wegen des sozialen Profits, den sie sich davon versprach. Status. Ansehen. Sie hatte schon lange Zeit durchgehalten und monatelang an der Seitenlinie gelauert, als die Dinge zwischen mir und Katie sich verschlechterten, und sofort zugeschlagen, als der Posten frei wurde. Ich weiß, sie war damals begeistert über ihren Aufstieg, aber ich hatte keine Minute daran gedacht, dass Paige Katie echt und wahrhaftig mögen und sich um sie sorgen könnte.
Aber als Katie sie als Freundin abschaffte, schien Paige am Boden zerstört. Sie lief Katie weiter wie ein Hündchen nach und beobachtete alles, was sie tat. Miranda bereitete dem ein rasches Ende. Es wurde erzählt, dass es einen Riesenkrach gegeben hatte, und Paige sich geweigert hatte zu gehen, es sei denn, Katie selbst würde es ihr sagen. Was Katie tat – mitten ins Gesicht beim Lunch vor allen Leuten. Ich weiß nicht, wie Paige ausgesehen hat, als sie weggegangen ist – weder Ami noch ich waren dabei –, aber ich stellte mir vor, sie hätte irgendwie würdig ausgesehen. Ich weiß aber, was sie gesagt hat, als sie abzog, denn den ganzen Tag gingen alle rum und machten es
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