Du denkst, du weißt, wer ich bin
hatte nicht gut geschlafen. Jedes Mal, wenn ich meine Augen geschlossen hatte, war mir Miss Falippis manisches Gesicht erschienen. Ihr Mädchen macht vor nichts Halt , sagte sie wieder und wieder. Die ganze Nacht durch verwandelte sich ihr Ausdruck von Angst in Wut, dann wieder in Angst. Ich war erleichtert, als es endlich Morgen wurde und ich mich durch die Dinge schleppen konnte, die ich tun musste. Diese Aufgabe, dann diese Aufgabe, dann jene. Das lenkte mich ab.
Es hatte längst geklingelt, als ich an der Schule ankam. Meine Schritte hallten von den Schulmauern wider, als ich über den verlassenen Innenhof lief und versuchte, mit dem Schicksal zu verhandeln.
Wenn es Miss Falippi gut geht, reiche ich zwei Wochen meine Arbeiten rechtzeitig ein, entschied ich. Als ich das Hauptgebäude erreichte, wo sich all unsere Klassenzimmer befanden, stockte ich den Deal noch auf. Ich werde einen ganzen Monat gut aufpassen . Alle Türen in unserem Korridor waren geschlossen, außer einer. Unserer. Dem Krach nach zu urteilen, der herausdrang, war kein Lehrer in der Klasse. Meine Hände wurden klamm. Wenn Miss Falippi okay ist, will ich ein Jahr lang eine perfekte Schülerin sein.
Ich konnte spüren, dass Lachlan mich beobachtete, als ich eintrat, aber ich hielt sofort nach Ami Ausschau. Sie lächelte mich beruhigend an, als ich neben ihr Platz nahm. »Sie ist sicher nur zu spät«, flüsterte sie, aber da war eine leichte verräterische Schärfe in ihrer Stimme. Ami war genauso besorgt wie ich. Ich heftete den Blick auf die Tür und wünschte mir mit aller Macht, dass Miss Falippi auftauchte, mit klimpernden Armreifen, überschwappendem Tee, baumelndem Medaillon.
Und dann ertönte eine vertraute Stimme, genau vor der Tür. »Leute, holt eure Bücher vor. Wir lernen heute etwas über Zerberus – den dreiköpfigen Wachhund des Hades.«
Abrupt verstummten die Gespräche. Die Schüler ließen sich widerwillig auf ihren Plätzen nieder. Ami gab mir einen Stups. »Siehst du? Alles in Ordnung.«
Aber ich wusste, dass etwas nicht stimmte. Ich konnte es spüren, es schnürte mir den Hals zu.
»Jeder, der das Buch nicht auf dem Tisch hat, wenn ich hereinkomme, wird nicht zum Ball gehen« , fuhr die Stimme fort. Sie war so klar und kräftig – das Gegenteil von dem, wie Miss Falippi im Wald geklungen hatte. »Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Mein Herz schlug rasend schnell. Warum kam sie nicht ins Klassenzimmer?
Dann begann das Stöhnen. Alle sahen sich um und beäugten sich gegenseitig, aber keiner rührte sich.
»Was hast du mir getan?«, wimmerte die Stimme. »Was hast du getan?«
Ich sprang auf die Füße, mein Stuhl polterte zu Boden, genau in dem Moment, als jemand durch die Tür geschlendert kam. Miranda. Sie sah, dass ich stand und lächelte.
»Nun, es ist gut zu wissen, dass wenigstens eine der armen alten Trippi-Falippi hätte helfen wollen. Ich meine, wenn sie es tatsächlich gewesen wäre.« Sie rollte die Augen und schlug mit den Armen wild um sich. »Helft mir! Ich sterbe!«
Das war genau die Stimme, die wir alle von draußen gehört hatten. Miss Falippis Stimme. Aber sie kam jetzt aus Mirandas Mund. Mir wurde ganz übel. Sie musste dort im Wald gewesen sein. Aber sie war nicht zu Hilfe gekommen.
Einen Moment war alles still. Dann begann Katie zu lachen. »Oh mein Gott ! Das war fantastisch. Ich habe ernsthaft geglaubt, das sei Miss Falippi dort draußen.«
Cam brach in schallendes Gelächter aus. »Genial!«
»Das ist überhaupt nicht cool«, sagte Lachlan und schüttelte den Kopf, aber er wurde übertönt vom Gekicher von Paige und Justine.
»Was für eine erbärmliche, kranke Nummer«, stieß ich hervor und zitterte vor Wut.
Mirandas Blick ruhte auf mir. »Die Witznummer hier ist Miss Falippi. Wie bekommt eine Drogenabhängige wie sie überhaupt die Verantwortung für eine ganze Klasse?«
Ich starrte sie an. »Worüber redest du da?«
Mirandas Zähne schimmerten. »Hast du nichts davon gehört? Miss Falippi wurde aufgegriffen, wie sie gestern Abend durch den Wald irrte, total kaputt.«
»Miss Falippi war tatsächlich auf Drogen?«, fragte jemand.
»Gott, ja«, grinste Miranda. »Ich habe gesehen, wie sie Stoff in ihren Kräutertee streute, als sie dachte, niemand würde zusehen.«
Katie schüttelte den Kopf und sah angewidert aus, und ich hörte, wie ein paar andere Schüler auch anfingen zu murmeln. Ich bemerkte plötzlich, dass Miranda mich genau beobachtete.
»Tu doch nicht so, als würde es
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