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Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Bailey
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irgendwie mag, aber ich bin zu fett und schrill, um mit ihm auszugehen, und Katie hat ihm gegenüber wahrscheinlich weitergetratscht, dass ich verrückt bin, wie sie es mit allen getan hat. Ich verkniff es mir lieber.
    Mum ließ laut ihr Besteck auf den Teller fallen. » Ich mag es nicht, wenn du dich nur auf diese Ami verlässt«, sagte sie. »Süße? Ich mache mir Sorgen um dich.«
    Ich wünschte so sehr, wir müssten solche Gespräche nicht führen. Ich musste raus, etwas frische Luft schnappen. Doktor Richter sagte mir immer, etwas Sport würde helfen. Ich schob meinen Stuhl zurück. »Danke für das Abendessen«, sagte ich matt und versuchte, den Frust nicht durch den Ton meiner Stimme zu verraten. »Ich fahre eine Runde Fahrrad.«
    Es wurde schon dunkel, als ich losfuhr und die Straße entlangflitzte, so schnell ich konnte. Die Straßenlaternen waren schon angeschaltet und nur ein ganz schwacher hellblauer Schimmer glomm über dem Horizont. Ich hatte Rückenwind, und es dauerte nicht lange, bis ich Jubilee Park weit hinter mir gelassen hatte. Als ich an der Kreuzung am Stadtrand ankam, blieb ich stehen. Die Straße zur Linken machte bald eine Biegung und würde mich wieder in die Stadt zurückführen. Die andere Straße führte an der Küste entlang. Meine Hände begannen ein wenig zu schwitzen, als ich an die Wellen und Wogen des Ozeans dachte.
    Konzentriere dich ganz auf die Straße , sagte ich mir. Vergiss, dass das Wasser da draußen ist . Die Ampel sprang um, aber ich rührte mich nicht. So nahe am Ozean zu sein – und das auch noch allein – war total furchterregend, aber ich wusste, ich war auch noch nicht bereit, schon nach Hause zurückzufahren. Der Frust grummelte noch in mir. Ich senkte den Kopf und nahm Kurs auf die Küstenstraße. Ich fuhr schnell, sah nicht nach rechts oder links, außer gelegentlichen Seitenblicken wegen des Verkehrs, und ich versuchte, meinen Angstausbruch auszunutzen, um fester zu strampeln.
    Es war jetzt schon dunkler, aber ich brauchte kein Licht, um genau zu wissen, wo ich war. Vor meinem inneren Auge sah ich die abgedunkelten Wochenendhäuser und die Surfer-Läden, die schon für den Winter geschlossen waren, vorbeiziehen. Die verlassenen Kinderspielplätze mit ihren verkrüppelten Bäumen und das kratzige Gras mit den vielen Kletten. Ich hatte nicht absichtlich eine bestimmte Richtung ausgewählt, aber ich wusste, wohin ich unterwegs war. Zum Aussichtspunkt. Dort, wo Dad und ich immer hingefahren waren.
    Der Aussichtspunkt war eigentlich nur eine leichte Ausbuchtung der Straße, wo Autos rechts ran fahren konnten, um das Meer zu fotografieren, aber der Weg von unserem Haus war weit genug, dass die Muskeln anfingen zu kribbeln. Dort gab es einen dieser Wegweiser mit Pfeilen, die einem sagten, wie weit es nach London oder New York war. Als ob er wüsste, dass man lieber irgendwo anders wäre. Dad und ich hielten dort immer an und bestaunten den Ozean, und ich fragte ihn aus Spaß, ob dies das Ende der Welt sei. Er lachte immer und sagte: »Nein, Mäuschen. Da ist noch eine ganze Menge Welt dahinter.«
    Hier entlangzufahren brachte wieder jede Menge Zeug hoch. Dinge, die ich normalerweise ausschalten konnte. Über Dad zum Beispiel. Und darüber, wie schrecklich alles gewesen war, kurz bevor er abhaute. Wie ich angefangen hatte, mich an den Wochenenden wegzuschleichen und mein Schuleschwänzen verheimlicht hatte. Wie besessen ich von Äußerlichkeiten und Jungs gewesen war und die Welt manipulierte – indem ich die Leute gegeneinander ausspielte, um zu bekommen, was ich wollte. Vor allem Mum und Dad. Wie sauer ich gewesen war, wenn mir mal was verweigert worden war. Ich war die Art Mädchen, die immer das Schlimmste verursachte. Das Mädchen, das es aber auch nicht besser verdient hatte, wenn ihm dafür das Schlimmste passierte.
    Ich merkte, dass ich den Lenker so fest packte, dass mir die Finger brannten.
    Nachdem Dad gegangen war, hatte Mum überall im Haus Broschüren für Kinder aus Trennungsfamilien herumliegen lassen. Ich hatte darüber gespottet, eine aber mal durchgeblättert, gerade lange genug, um die Zeile zu lesen, dass deine Eltern dich immer lieben werden und ihre Trennung nicht deine Schuld ist.
    Das war entweder Bullshit, oder die Götter des Familienzusammenbruchs mussten für mich mal eine Ausnahme gemacht haben.
    Die Tatsache, dass er wegen mir gegangen war, stand außer Frage. Ich war immer der Grund für Mums und Dads Zoff, und dann gingen ihre

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