Du denkst, du weißt, wer ich bin
ich voller Abscheu, die einen Kotelettknochen beobachten, mit dem vor ihnen herumgewedelt wird .
Erst, als der zweite Song anfing, zwang ich mich, Dallas anzusehen. Mein ganzer Körper summte. Ich hatte diesen Menschen jeden einzelnen Tag der letzten sechs Monate singen hören. Seine Songs waren meine Dosis Morgenkoffein und meine abendliche Schlaftablette. Wie würde ich mich fühlen, wenn ich ihn tatsächlich live vor mir sehen würde? Mein Kopf könnte in die Luft fliegen. Ich sammelte alle Kräfte für die Gefühlswelle, von der ich erwartete, dass sie mich umwerfen und wegtragen würde. Jetzt.
Nichts. Überhaupt nichts.
Ich fiel fast hintenüber. Ich fühlte mich, als hätte ich versucht, etwas zu heben, das sehr, sehr schwer aussah, sich dann aber als schwerelos herausstellte. Dallas war in Wirklichkeit genauso wunderschön wie auf den Fotos, die ich gesehen hatte. Wenn nicht sogar viel schöner. Und von seiner Stimme zitterte ich immer noch. Aber meine Euphorie war total verschwunden.
Miranda stupste mich an. Ihre Augen funkelten. »Ist er nicht wahnsinnig?«
Ich nickte, antwortete aber nicht. Ich sah mich um nach etwas, auf das ich mich konzentrieren konnte. Etwas, das mir half, mein Gleichgewicht wiederzufinden. Und da entdeckte ich etwas Vertrautes in der Menge. Jemand Großes mit dunklen, wuscheligen Haaren, der ein Sweatshirt mit Flicken an den Ellbogen trug. Jemand mit einem wundervoll breiten Rücken. Es war ein Rücken, den ich gut kannte, denn bis vor Kurzem hatte ich in der Schule eine Menge Zeit damit verbracht, darauf zu starren.
SIEBZEHN
In meinem Kopf begann es sich zu drehen. Er weiß, dass du ein Luxe-Fan bist. Er ist hergekommen in der Hoffnung, du würdest auch auftauchen. Ich machte irritiert eine Faust. Olive, du Wonk. Schluss damit! Auf gar keinen Fall wäre Lachlan noch an mir interessiert.
Außer. Außer er wusste vielleicht nichts über Ami, über das Krankenhaus, über den ganzen Shapeshiftermist. Vielleicht hatte Miranda die Wahrheit gesagt und wirklich niemandem etwas erzählt. Den Fehler hatte ich doch schon mal bei Katie begangen. Ich war zu starrköpfig gewesen, zu glauben, dass die Leute manchmal besser sind, als man es ihnen zutraut.
In meinem Geist spielte ich dieses nervige Pingpongspiel den ganzen Rest des Auftritts weiter. Es machte mich verrückt und lenkte mich total von der Musik ab. Während der Pause stellte ich mich mit dem Rücken zur Wand, damit Lachlan wenigstens nicht hinter mir auftauchen konnte. Aber während des restlichen Konzerts verlor ich ihn aus den Augen, und meine innere Aufregung steigerte sich ins Unermessliche, bis ich es kaum noch aushalten konnte. Mehr als einmal sah ich zur Tür und überlegte, ob ich mich herausschleichen könnte, bevor Lachlan mich entdeckte. Aber inzwischen war der Saal zu voll und außerdem konnte ich Miranda ja auch nicht einfach zurücklassen, ohne zu erklären, was los war.
Als die Menge nach einer Zugabe rief, stöhnte ich tatsächlich auf – nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich das mal bei einem Gig von Luxe tun würde. Als die Lichter endlich wieder angingen, war ich ein nervöses Wrack. »Ich muss los«, sagte ich hastig zu Miranda. »Danke, dass du mich eingeschleust hast.«
»Du kannst nicht gehen!«, protestierte Miranda. »Jetzt doch noch nicht!«
»Es ist spät«, sagte ich. »Morgen ist Schule.«
» Morgen ist Schule «, wiederholte Miranda, ihre Stimme eine höhere, weinerliche Version von meiner. Dann lächelte sie. Packte mich am Arm. »Du kannst nicht gehen. Ich lass dich nicht. Du wirst Dallas kennenlernen, erinnerst du dich?«
»Das war doch nur ein Scherz.« Meine Blicke huschten durch den Raum. Die Menge hatte begonnen sich aufzulösen, aber ich konnte Lachlan nirgendwo sehen. Vielleicht ist er schon weg , dachte ich hoffnungsvoll.
»Nein, war es nicht«, sagte Miranda und verstärkte ihren Griff. »Komm. Es ist Zeit, dass du den Typ deiner Träume triffst.«
»Nein«, entgegnete ich und befreite meinen Arm. »Ich werde nicht vor der Tür herumhängen wie irgend so ein Groupie.«
Miranda warf mir einen herablassenden Blick zu. »Wer sagt etwas von herumhängen vor der Tür? Er kommt und trifft uns hier.«
Ich schnaubte. »Irgendwie glaube ich nicht, dass das passieren wird.«
»Dann wart’s ab«, sagte Miranda. Sie ging zu der ramponierten Couch im hinteren Teil des Lokals und ließ sich hineinplumpsen. Ich fühlte mich blöde – und gefährlich ungeschützt –, allein dazustehen,
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