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Du Durchschaust Mich Nicht

Du Durchschaust Mich Nicht

Titel: Du Durchschaust Mich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Farid
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erzählen brauche.
     
    Ein Magier, der sich besonders darin hervorgetan hat, Naturgesetze außer Kraft zu setzen, war Okito, mit bürgerlichem Namen Theo Bamberg. Schon früh habe ich über ihn gelesen, wobei mich besonders beeindruckt hat, wie er sein nicht immer einfaches Leben gemeistert hat. In Holland in eine Zauberkünstlerdynastie hineingeboren, war er schon früh mit seinem Vater auf der Bühne. Der Junge hatte nur einen einzigen Berufswunsch: selbst als Illusionskünstler das Publikum zu verzaubern. Doch als 18 -Jähriger schien der Traum nach einem Schwimmunfall ausgeträumt: Theo Bambergs Gehör nahm Schaden, und er war fortan beinahe völlig taub.
    In dieser Situation verzweifelte er aber nicht, sondern überlegte, wie er seine Illusionen ohne Worte auf der Bühne präsentieren kann. Er erfand sich kurzerhand neu, und die Kunstfigur Okito war geboren: ein stummer Asiate. Der Holländer mit dem japanisch klingenden Namen und in chinesischem Kostüm beherrschte sein Handwerk nach Beschreibungen von Zeitgenossen perfekt und hat »Die schwebende Kugel« zur Sensationsnummer gemacht.
    Selbst wenn ein unsichtbarer Faden im Spiel ist, bleibt diese Illusion ein höchst anspruchsvolles Kunststück: eine Kugel wirklich schweben zu lassen, also nicht so, dass die schaukelt, oder es aussieht, als sei sie von etwas anderem in Bewegung gebracht worden, als würde sie etwa gezogen oder geschoben werden; nein, es muss federleicht und schwerelos aussehen, und darin war Okito Meister.
    Okitos Klassiker wurde oft kopiert, meist schwebt die Kugel vor, hinter oder über einem Tuch durch die Luft. Auch ich habe diese Nummer als Jugendlicher eingeübt, aber ich habe mich dafür nie so richtig begeistern können. Mir fehlte bei der Vorführung der direkte Kontakt zum Publikum.
     
    Ich mag solchen Frontalzauber für meine Illusionskunst nicht, also meide ich Shownummern, bei denen man sich als Zuschauer zurücklehnt und den Magier vorn auf der Bühne machen lässt. Mit den Zuschauern gemeinsam Magie gestalten und erleben, das ist etwas völlig anderes. Erst dadurch wird Illusionskunst für mich lebendig und spannend.
    Zum Beispiel sprach ich einmal in einer Bahnhofshalle irgendwelche Leute an und bat sie, mir einen Geldschein oder ihr Zugticket zu geben. Diese Gegenstände ließ ich dann vor den Augen der Passanten schweben. Die Reaktionen waren enorm, weil man als Zuschauer nur bei vorher präparierten Gegenständen eine Manipulation vermutet. Einige Zuschauer zitterten, andere glaubten an ein Wunder. Das ist das größte Kompliment für mich!
    Solche interaktiven Close-up-Nummern, also Kunststücke nah am Zuschauer und mit dem Zuschauer, das ist meine Welt. Dann schwebe ich vor Freude auch schon mal selbst ganz gern. Etwa auf einem Dach, das als Parkdeck genutzt wird. Dort lieh ich mir den Schirm einer jungen Frau aus, die gerade in ihr Auto steigen wollte, der mich scheinbar schwerelos in der Luft schweben ließ.
    Hier möchte ich einmal darauf hinweisen, dass es Ehrensache ist, dass die Leute, denen ich meine Illusionskunst »vorführe«, niemals eingeweihte Personen sind. Das wird einem Magier wie mir immer als Erstes vorgeworfen. Auch die anderen Leute, die ich bei dieser Illusion hinzuzog, waren alle zufällig auf dem Parkdach und wussten nicht, was ich vorhatte. Außerdem kann das Schweben so einfach sein, man muss nur wissen, welcher Schirm sich dafür eignet!
    Na gut, es steckt natürlich eine Menge Vorbereitung dahinter, aber es ist schließlich extra so gemacht, dass man nicht sieht, wie das Schweben zustande kommt. Und so überlasse ich es meinem Publikum, ob es versucht, hinter einen Trick zu kommen oder ob es an ein Wunder glaubt.
     
    In einem meiner frühesten Internetvideos, noch vor meinen Auftritten im Fernsehen, habe ich einmal einen Passanten schweben lassen, um ihn dann, unter freiem Himmel, mitten in der Luft verschwinden zu lassen. Solche Großillusionen, hier die Neubearbeitung des Klassikers »Die schwebende Jungfrau«, kannte man bis dahin nur von großen Bühnen, wo der Zuschauer leider weit weg vom Geschehen sitzt und doppelte Böden, Spiegel oder unsichtbare Seile vermutet. Solchen Erklärungsansätzen wollte ich entgegenarbeiten, und unter freiem Himmel kann man viele Hilfsmittel oder Requisiten gar nicht einsetzen. Aber so einfach war die Umsetzung dann nicht. Ich arbeitete über einen Zeitraum von drei Jahren an der Planung und Umsetzung des »schwebenden Passanten«. Das war eine sehr kreative

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