Du Durchschaust Mich Nicht
nach einem plötzlichen Spurt in der Endzone seinen Punkt zu machen. Warum hinderte den Football-Fußgänger niemand, warum jagte ihm keiner den Ball ab? Weil die Spieler der Defensive nicht durchschauten, was da vor sich ging. Sie waren auf einen schnellen Angriff konzentriert, die unerwartete und unübliche Bewegung des Angreifers ließ sie erstarren. Und bis wieder Leben in sie kam, war der Ballbesitzer schon längst auf der Zielgeraden zum Touch Down.
Die Kunst der Täuschung – mal geliebt, mal gehasst
Um über das Thema Ablenkung noch mehr herauszufinden, habe ich ein paar ganz spezielle Meister der Täuschung zu einem Gespräch getroffen. Zwei von ihnen sind TV -Urgesteine, die sich in der Öffentlichkeit nicht nur Freunde gemacht haben, denn das Spiel mit der Täuschung ist hochemotional. Und das ist in der Unterhaltungsbranche das Beste, was dir passieren kann.
Und dann habe ich einen wirklich »bösen« Meister der Ablenkung sprechen können, einer, der durch seine kriminelle Täuschungskunst erstaunlich beliebt wurde und viele Fans im ganzen Land gewann. Mich auch.
Der ehrliche Betrüger: Salvatore, der Hütchenspieler
Ich treffe Salvatore an einem der ersten warmen Sommerabende in diesem Jahr und bin sehr gespannt, was für einem Menschen ich begegnen werde, schließlich kenne ich ihn bislang nur aus seiner sehr erfolgreichen Minisendung auf RTL Plus,
Pronto Salvatore,
in der er stets mit Sonnenbrille und Mafia-Look auftrat. Salvatore ist der Künstlername von Franco Campana, der vor seiner TV -Karriere Kunst studierte und seit einigen Jahren vorrangig wieder als bildender Künstler arbeitet. Sein Look und der starke italienische Akzent waren schon bald sein Markenzeichen: »Bin isch ’eute aufgestanden, ’abe ’ose angezogen, und was ’abe isch gefunden? Viel Geld. Das möschte isch loswerden.«
Der Ablauf des Spiels war immer gleich. Sobald ein Anrufer durchkam: »
Pronto,
Salvatore, wer is’ da?«
»Hallo, hier ist Sabine.«
»
Ciao,
Sabine, siehs’ du den Schein, den kanns du gewinnen.
Avanti.
«
Drei Nussschalen liegen auf rot-gelb-blauem Stoff, Salvatore legt eine kleine Kugel unter die mittlere Nussschale auf Gelb, und schon schiebt er die Schalen hin und her, während er mit der jungen Frau spricht. »Gut aufpassen,
ragazza,
damit du die Kugel nich’ aus de’ Augen verlierst.«
Und schon ist wieder je eine Nussschale auf einer Farbe plaziert. »Sabine, unter welche Nuss is’ die Kugel?«
»Rot.«
»Rot. Rot. Imme’ wolle’ alle Rot. Warum? Is’ leer. Nimm andere Farbe. Wills’ du?«
»Nein, ich bleibe bei Rot.«
»Schade, siehs’ du, nix. Is’ leer, die Schale. ’ab ich doch gesagt. Muss’ du noch mal anrufen.
Ciao, ragazza.
«
Als Salvatore beim vereinbarten Treffpunkt auf mich zukommt, ist mir sofort klar, dass das ein kurzweiliger Abend wird. Kaum sitzen wir eine halbe Stunde zusammen, überlegen wir bereits im Scherz, mit welchen Tricks wir gemeinsam eine Bank ausrauben könnten. Aber zuerst einmal erzählt er von der Zeit in den späten 80 er Jahren, als er der bekannteste Hütchenspieler Deutschlands wurde.
»Salvatore war ein Berufsunfall«, sagt er und lacht. »Ich kannte einen Fernsehproduzenten und hatte ihm schon ein paarmal Ideen für den Showbereich geliefert. Diesmal brauchten sie ein Ratespiel, etwas mit Fragen oder ein Quiz, für die Werbepausen, also ein Programmfüller sozusagen. Da dachte ich an meine Taschenspielertricks mit drei Bierdeckeln, die ich gern mal in einer Bar vorführte. Ich bin noch am selben Tag in einen Zauberhandel, um für vierzig Mark ein kleines Tütchen mit drei Nussschalen, einer Kugel und einer Beschreibung zu kaufen.«
Das sollte die beste Investition seines Lebens werden, erzählte er weiter: »Ich ging nach Hause und lernte das Kunststück in fünf Minuten. Sogar die Rechnung wurde mir zurückerstattet!«
Franco Campana stellte sich also beim Sender vor und wurde prompt genommen. »Ich dachte mir, okay, ein, zwei Wochen im TV , dann kann ich sagen, ich war mal im Fernsehen!«
Am 28 . August 1988 ging Franco Campana nach einem Glas Grappa um Punkt 16 Uhr live und ohne jegliche Probe auf Sendung – und wurde vier Tage später wieder abgesetzt!
»Die Requisite hatte meine Bedingungen nicht erfüllt. Somit musste ich mich zu sehr auf die Tricktechnik und weniger auf die Präsentation konzentrieren, und noch dazu redete ein Moderator die ganze Zeit dazwischen. Drei Tage später lief mir der Unterhaltungschef
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