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Du Durchschaust Mich Nicht

Du Durchschaust Mich Nicht

Titel: Du Durchschaust Mich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Farid
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Frauen vor laufender Kamera beleidigten –, sagte er: »Hier sind hundert Euro, hau ab oder spiel weiter, und ich mach dich fertig.« Spielte der Typ dann weiter, rastete das Publikum aus, und die Stimmung im Studio kochte.
    Tricks, den Kandidaten unsicher zu machen und dadurch die Spannung zu steigern, gab es viele. Zeigte ein Kandidat zum Beispiel auf den Umschlag, in dem der Hauptgewinn steckte, lenkte Draeger ihn ab und hielt ihm fünf Hunderter vor die Nase. Wollte der Kandidat trotzdem den Umschlag, gab ihm Draeger das Geld direkt in die Hand. »Er soll das Geld fühlen, in seinen Händen halten. Das macht ihn schwach.« Dadurch wurde es für den Kandidaten schwieriger, das Geld abzulehnen und auf dem Umschlag zu beharren.
    Auch bei den Umschlägen verwirrte Draeger die Mitspieler, wenn er ihnen einen Umschlag in die Hand drückte und sagte: »Und, fühlen Sie was?« Was sollten die Kandidaten fühlen? Das gedruckte Wort »Zonk«? Nein, Verwirrung. Unsicherheit. Bis sie sich umentschieden – und entweder Glück hatten, weil Jörg Draeger sie mochte und ihnen zum Auto oder zu einer Reise verhalf, oder Pech, weil sie nur den Zonk bekamen.
    »Aber wir haben nie manipuliert! Ich habe dem Studiopublikum vor der Show immer gezeigt, dass es keine Drehbühnen oder Ähnliches gibt! Manchmal so lange, bis Zuschauer riefen: ›Is’ gut, Junge, wir glauben dir doch.‹«
    Obwohl er ein Meister der Ablenkung ist, sieht Jörg Draeger sich selbst nicht als Schauspieler: »Ich bin null Prozent Schauspieler! Ich kann in bestimmten Momenten schauspielern, kann es jedoch nicht jederzeit abrufen«, erklärt er mir. Aber er beschreibt mir auch, wie er seine Stimme eingesetzt hat: »Ich benutzte absichtlich das große Handmikrophon anstatt moderner unkomplizierter Ansteckmikros. Oft musste ich mir das sogar unter die Achseln klemmen, um die Hände frei zu haben. Aber ich setzte es ein, um meine Stimme besser isolieren zu können oder auch schmeichelnder klingen zu lassen.« Und so konnte er mit dem Kandidaten sprechen, ohne dass es über das Mikrophon übertragen wurde. Schauspielerei mag es nicht sein, aber das Talent, das auch Schauspieler haben müssen: Aufmerksamkeit zu lenken.
    Ein weiteres Merkmal, das Jörg Draeger mit uns Magiern – und sicherlich mit allen Menschen, die etwas vor Publikum vortragen – gemeinsam hat, ist seine Spontanität. »Einmal war ich fest davon überzeugt, dass sich im Tor 3 ein Elektronikpreis im Wert von etwa 1500  Euro verbarg. Und in Tor 1 und Tor 2 jeweils ein Auto. Ich versuchte, alle drei Kandidaten auf das dritte Tor zu lenken. Als ich merkte, dass zwei Kandidaten anbissen, sagte ich: Das geht nicht. Kandidat eins hat schon Tor 3 ! Regie, können wir eine Ausnahme machen und Tor 3 zweimal rausgeben?«
    Im weiteren Verlauf brachte er sogar Kandidat drei noch dazu, Tor 3 zu wählen. Draeger tat so, als wäre es die absolute Ausnahme und würde nun alle drei ins Messer laufen lassen – na ja, immerhin ein Preis und kein Zonk. Da öffnete sich Tor 3, und ein Auto stand darin! Der Preis musste dreimal vergeben werden!
    In der nächsten Sendung kündigte Jörg Draeger an: »So, meine Damen und Herren, wenn Sie gesehen haben, was in der letzten Sendung passiert ist, dann werden Sie sich nicht wundern, was ich jetzt ankündige: Diese Woche geht nichts mehr raus! Versuchen Sie dennoch Ihr Glück!« Mehr Spannung im Spiel geht nicht.
    Als ich mit Jörg Draeger noch einmal über die Parallelen zur Magie spreche, hat er eine ganz klare Vorstellung von beiden Berufen: »Du bist ein professioneller Verführer der Realität, Farid. Du kannst die Leute im Unwissen lassen und faszinierst vielleicht genau deshalb. Es umgibt dich etwas Glamouröses, wenn du eine Bühne betrittst, egal, wer da unten sitzt. Ich hingegen bin nichts ohne mein Publikum.«

»Ich hätte Zauberer werden sollen«: der Kaufhauserpresser Dagobert
    Wenn es je einen Meister der Ablenkung gegeben hat, dann Dagobert. Ich weiß noch heute, wie aufgeregt ich jedes Mal war, wenn der Kaufhauserpresser wieder einmal für Schlagzeilen gesorgt hatte – das war Ende der 80 er, Anfang der 90 er. Wenn ich von der Schule heimkam, fragte ich oft meine Mutter als Erstes: »Haben sie ihn?« Ich verpasste keine Meldung in den Nachrichten und las sogar die Zeitung meines Vaters, noch bevor er sie aufschlagen konnte. Dagobert führte Polizei und Wachleute dermaßen in die Irre – Geldübergaben platzten, Bomben gingen in die Luft –, dass

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